AeroSHARK: Haie in den Wolken

Es gibt zuletzt zahlreiche Bestrebungen, den Luftverkehr umweltfreundlicher und sparsamer zu gestalten. Neben den extrem hohen Treibstoffkosten steht der gesamte Luftfahrtsektor unter dem zunehmenden Druck von Politik und Öffentlichkeit, seinen ökologischen Fußabdruck drastisch zu reduzieren. Dies zeigt sich unter anderem an der dynamischen Diskussion über nachhaltige Flugkraftstoffe aus biogenen Abfällen (SAF), Konzepte für wasserstoffbetriebene Flugzeuge oder aerodynamisch geformte Flugzeugkonzepte.
Mit AeroSHARK ist nun ein weiterer Baustein zur Reduzierung schädlicher Abgase hinzugekommen. Die Idee dahinter ist genauso unorthodox wie bestechend.

Die Natur scheint das beste Vorbild zu sein

In vielen Punkten bietet die Natur ideale Lösungen und Konstruktionen, welche der Mensch nur allzu gerne kopiert. Egal ob Bienen-Waben, Spiralformen von Schlingpflanzen oder das Gleitprinzip von Flügeln. Vieles machte sich der Mensch zu eigen, so auch die Haut von Haien, welche seit Jahrmillionen zu den „Königen der Meere“ gehören. Mühelos gleiten sie durchs Meer, gelten sie doch als wahre Meister der Widerstandsreduzierung – einerseits durch ihre Körperform, andererseits auch wegen ihrer Haut. Lufthansa Technik hat in Zusammenarbeit mit dem Chemiekonzern BASF die Nutzung dieses Naturphänomens analysiert und es für Verkehrsflugzeuge adaptiert, um Treibstoffverbrauch und Emissionen zu reduzieren.

„Panta Rhei – alles strömt“

AeroSHARK besteht aus bionischen Klebefolien, die der Haut von Haien nachempfunden sind. Deren bekannte Effizienz wird nun genutzt, um die Luftströmung um das Flugzeug zu optimieren, was zu erheblichen Treibstoffeinsparungen und Emissionsreduzierungen führt. Das Geheimnis liegt in den mikroskopischen Eigenschaften der Folie. Sie besteht aus einer kaum wahrnehmbaren Textur aus kleinen gerippten Vorsprüngen – den sogenannten Riblets. Die Folie ist für eine einfache und gezielte Anbringung eingeteilt und besteht aus Millionen dieser prismenförmigen „Rippchen“, von denen jedes einzelne lediglich 50 Mikrometer (das sind 0,05 mm) groß ist. Gezielt auf das Flugzeug aufgebracht, erzielen die kleinen Wunderdinger Effizienzgewinne, indem sie ähnlich wie in der Natur die Oberflächenreibung und den Luftwiderstand verringern. Zudem sollen sie auch den Auftrieb verbessern, wenn sie auf Tragflächen angebracht werden.

Diese Folie hat es in sich!

Die Riblet-Folie lässt sich selbst auf großen Verkehrsflugzeugen leicht anbringen – sie wurde bereits mit bis zu 500 m² für den unteren Rumpf und die Bauchverkleidung einer Boeing 747-400 zertifiziert. Klarerweise handelt es sich um keine gewöhnliche Frischhaltefolie: Sie ist extrem widerstandsfähig und widersteht selbst großen Temperaturschwankungen und Druckunterschieden am Himmel. Auch die ultraviolette Strahlung in hohen Flughöhen wurde bei der Konzeption berücksichtigt.

„Hai in the sky“

Den Beginn setzte SWISS im Oktober 2022. Bereits zuvor testete man die innovative Technologie gemeinsam mit externen Experten an einem ersten Flugzeug des Typs Boeing 777-300ER. Die Ergebnisse ließen sich auf jeden Fall sehen und bewogen die Schweizer Fluglinie dazu, die gesamte Boeing 777-Flotte aufzuwerten.

Mit der Beklebung von insgesamt 950 Quadratmetern Riblet-Film auf den Oberflächen von Rumpf- und Triebwerksgondeln kann eine Treibstoffeinsparung von ungefähr 1,1 Prozent erzielt werden. Dies führt beim Einsatz auf allen „Triple Seven“ zu einer jährlichen Einsparung von mehr als 4.800 Tonnen Treibstoff und bis zu 15.200 Tonnen CO₂. Laut SWISS entspricht das der gleichen Menge, die üblicherweise auf ungefähr 87 Langstreckenflügen von Zürich nach Mumbai entsteht. Dies erscheint auf den ersten Blick womöglich nicht so imposant, aber eine sukzessive Ausweitung auf allen passenden Flugzeugtypen weltweit würde nach und nach zu massiven Einsparungen führen – und das alles nur mit Hilfe einer hauchdünnen Folie, welche einfach im Rahmen einer Routineüberprüfung der Maschine angebracht werden kann.

Mittlerweile arbeitet man bereits an dem Vorhaben, die AeroSHARK-Modifikation in naher Zukunft auch auf den Tragflächen der Boeing 777 anzubringen, um zusätzliche Einsparpotenziale zu realisieren.

Frachtflugzeuge mit Biss

Derzeit will auch Lufthansa Cargo auf jedem ihrer Boeing 777F-Frachtflugzeuge rund 800 m² AeroSHARK-„Haut“ anbringen. Die erwarteten Verringerungen beim Luftwiderstand sollen bei zehn Flugzeugen zu einer jährlichen Treibstoffeinsparung von 3.700 Tonnen und einer Reduzierung der CO₂-Emissionen um 11.700 Tonnen führen.

Die Riblet-Technologie lässt sich mit ähnlichem Effekt auf alle Flugzeugtypen adaptieren, sodass Lufthansa Technik bereits plant, sie in naher Zukunft für weitere Oberflächen und Flugzeugtypen zu zertifizieren. In Zeiten von extrem hohen Treibstoffkosten und inflationsbedingtem Rückgang an globalem Frachtaufkommen müssen Airlines jede Möglichkeit nutzen ihre operativen Kosten zu senken. Auf globaler Ebene hat die neue Technologie einen beachtlichen Hebel auf die Treibstoffersparnisse und die damit verbundenen Kosten.
Weltweit ist derzeit eine Flotte von rund 24.000 Flugzeugen unterwegs – es ist zwar noch ein weiter Weg, aber hochgerechnet könnte AeroSHARK sogar rund zwei Millionen Tonnen Kerosin und rund 6,3 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr einsparen.

"Fliegen mit Biss"