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Wenn der Wind bläst, freut sich die Umwelt!

Seefracht unter vollen Segeln

Große Ozeanriesen bringen unterschiedlichste Fracht billig und in riesigen Mengen über die Weltmeere an ihr Ziel. Den Konsument freut es, seinen Kontostand auch – von manch negativen Umweltauswirkungen dieser Transportweise erfahren die meisten eher nicht. Dass Konsumprodukte ihren Weg von den Werkbänken und Fließbändern Asiens in die Geschäftsregale Europas oder der USA überhaupt so günstig finden, liegt an modernen Frachtschiffen. Allein durch die schiere Größe und den Einsatz von einheitlichen, rasch abfertigbaren Containern sinken die Transportkosten auf ein Minimum. Doch gibt es alternative Wege um Waren über die sieben Weltmeere zu bringen?

Schiffe, groß wie schwimmende Städte, bei denen die modernsten über 20.000 Container turmhoch laden können, laufen mit billigem und umweltbelastendem Dieselöl. Immerhin hat die  International Maritime Organization zuletzt strenge Ziele festgelegt, mit denen bis 2025 bis zu 30 % weniger CO2 ausgestoßen werden sollen. Derzeit emittieren allein die fünfzehn größten Schiffe der Welt pro Jahr so viele Schadstoffe wie 750 Millionen Autos, errechnete der Naturschutzbund Deutschland in einer Studie. Doch es scheint eine altbekannte Alternative zu geben und sie kostet nichts.

Windkraft als Alternative zu Verbrennungsmotoren

Bis zur Konstruktion des ersten funktionsfähigen Dampfschiffes im Jahre 1783 und sogar noch einige Zeit danach, galten Segelboote als die kühnen Herrscher der Meere und abgesehen von Ruderbooten war die Windkraft die einzige Kraft, die Schiffe durch die Gezeiten und Strömungen der sieben Weltmeere manövrieren konnte. Mit der zunehmenden technischen Verbesserung lösten die neuen Schiffe die großen Segler ab. Segelschiffe galten von nun an nur mehr noch als Freizeitgerät, Liebhaberei wohlhabender Leute oder Schulungsschiffe in der nautischen Ausbildung von Seekadetten genutzt. Doch in den letzten Jahren ist es durch das Erstarken von Nachhaltigkeitstendenzen zu einem Umdenken gekommen. Natürlich werden Frachtsegler niemals die konventionell betriebenen Schiffe ablösen oder gar deren Frachtvolumina erreichen, aber allein deren Sonderstatus auf den Weltmeeren ist schon faszinierend an sich.

Zeit ist Geld – oder auch nicht?

Sie stellen sich die Arbeit an Bord eines Segelschiffes oder bei der Löschung der Ladung romantisch vor? Je nach Sichtweise ist es das bestimmt, die Tätigkeiten selbst sind jedoch harte Arbeit. Es wird geschwitzt und schwer getragen, denn die Ladung im Bauch der Frachtsegler selbst ist nicht in Containern konsolidiert. Säcke, Paletten und Kisten werden per Hand aus dem Schiff geholt und per Seilwinde an der Kaimauer hochgezogen. Eine unglaublich mühevolle Arbeit, von den vorangegangenen, monatelangen Überfahrten auf den Ozeanen ganz zu schweigen. Ohne viel Freiwilligenarbeit und eine gehörige Portion Idealismus wäre dies schwer zu bewältigen. Auch finanziell sind solche Vorhaben sehr herausfordernd – ökonomisch vernünftig lassen sich die Produkte auch nicht transportieren. Zumindest nicht im üblicherweise gültigen Sinn: Im Vergleich zu den eingangs erwähnten Ozeanriesen sind die Transportkosten keinesfalls konkurrenzfähig. In diesem Fall ist dies aber auch gar nicht der Hauptzweck, denn die auf diesen Schiffen mitgeführten Waren sind oft etwas Besonderes und die Transportvariante wurde bewusst gewählt.

Eine besondere Nische für besondere Produkte

Deutschlands derzeit einziger Frachtsegler, die ehemals niederländische „Avontuur“, befördert auf klimafreundliche Weise fair gehandelte und biologisch produzierte Produkte – eine bewusste Entscheidung. Beladen ist sie bei ihren Überfahrten beispielweise mit „fairen“ Kaffeebohnen für eine exklusive, nachhaltige Rösterei in Norddeutschland sowie Gewürzen und Rohwaren für einen umweltbewussten Produzenten biologischer Tees. Zuletzt wurde auch fair gehandelter Bio-Kakao aus Nicaragua für den österreichischen Schokoladeproduzenten Zotter über den Atlantik gebracht. Abgesehen vom kleinen ökologischen Fußabdruck haben diese Produkte noch eine weitere Gemeinsamkeit: es handelt sich um hochwertige Güter, deren Transport meist nicht eilt, und es gibt zunehmend Firmen, die gerne dafür zahlen, dass ihre umweltfreundlichen Güter genauso umweltfreundlich verschifft werden.

Nachhaltige Schifffahrt als Konzept

Ganz neu ist das Konzept des emissionsfreien Transports nicht. Bereits 2009 transportierte die „Tres Hombres“ der österreichischen Firma „Fairtransport“ auf ihrer Jungfernfahrt Fracht über den Atlantik. Seither folgt das 32 Meter lange Schiff den Winden und Strömungen auf traditionellen Handels- und ehemaligen Piraten-Routen über den Atlantik. Mit bis zu 12 Knoten (etwa 22 km/h) segelt sie von Europa über die Kanarischen Inseln in die Karibik, um dann über die Azoren wieder zurück zu kehren. Die Auslastung dürfte den ersten Business Case übertroffen haben, denn  kaum war das Pionierschiff profitabel, rüstete Fairtransport mit der „Nordlys“ einen zweiten Frachtsegler aus. Dieses 25 Meter lange Segelschiff pendelt nun seit 2015 zwischen dem norwegischen Lofoten und dem Mittelmeer und bringt wieder etwas Leben in Europas alte Häfen.

Windkraft für Ozeanriesen?

Wie man sieht, funktioniert das Konzept des umweltfreundlichen Seetransports per Windkraft unter bestimmten Prämissen. Auf einem industriellen Level lässt es sich bei der „konventionellen Seefahrt“ aber nicht umsetzen, obwohl manche Reedereien bereits über große, speziell entwickelte Segel als Unterstützung ihrer normalen Turbinenantriebe überlegen. Doch dies ist eine andere Geschichte und demnächst eine eigene Story wert…