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Wie wasserstoffbetriebene Flugzeuge die Luftfahrt verändern könnten

Klimaneutral über den Wolken

900 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Emissionen pro Jahr gehen auf das Konto des internationalen Luftverkehrs. Unter der Annahme eines Branchenwachstums von 3-4 % p.a. würden sich diese bis 2050 mehr als verdoppeln. Es zeigt sich, es muss dringend etwas zum Wohle des Planeten geschehen. Wasserstofftechnologien scheinen derzeit das wirkungsvollste Gegenkonzept zu sein. Werfen Sie mit uns einen genaueren Blick auf den aktuellen Status Quo dieser Antriebsform und die möglichen nächsten Schritte.

Sie werden in den nächsten Jahrzehnten eine Schlüsselrolle bei der Transformation der Luftfahrt in eine klimaneutrale Richtung spielen. Eine aktuelle, von Clean Sky in Auftrag gegebene Studie zeigt auf: Systeminnovationen in der Luftfahrt in Kombination mit Wasserstofftechnologien könnten dazu beitragen, den Anteil des Fliegens am globalen Erderwärmungseffekt um bis zu 90 % zu reduzieren.

Dass der Weg dahin jedoch noch lange nicht geebnet ist, formuliert Prof. Rolf Henke, Vorstandsmitglied des DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) und Experte im Bereich der Luftfahrtforschung, so: „Es sind umfangreiche Forschungs- und Entwicklungsarbeiten für Flugzeuge, die Weiterentwicklung der Brennstoffzellentechnologie und der Flüssigwasserstofftanks notwendig sowie hohe Investitionen in die Infrastrukturen am Boden und in der Luft. Auch die Definitionen von Vorschriften und Zertifizierungsstandards sind wichtig, um sicherzustellen, dass ein sicherer und zuverlässiger Betrieb von wasserstoffbetriebenen Flugzeugen möglich ist.“ Bevor ein zuverlässiger Einsatz von wasserstoffbetriebenen Flugzeugen möglich ist, sind also noch einige Faktoren zu klären. Nichtsdestotrotz machen sich verschiedene Initiativen bereits energisch an die konkrete Umsetzung dieser zukunftsträchtigen Flugzeugantriebe.

Bald Abgase aus Wasserdampf?

In 10 bis 15 Jahren, so schätzen Branchenexperten, könnte Wasserstoff im großen Maßstab für die Luftfahrt nutzbar sein. Den Studienergebnissen zufolge könnte der erste wasserstoffbetriebene Prototyp mit kurzer Reichweite bis 2028 entwickelt bzw. einsatzfähig werden. Ein symbolischer Schritt, der ein wichtiges Zeichen in Richtung „grüner Luftfahrt“ wäre. Diese gilt derzeit bekanntlich als das genaue Gegenteil davon: Neben CO2 zeigen auch der Ausstoß von Stickoxiden (NOx), Ruß und Wasserdampf, die Kondensstreifen und Zirrus-Wolken erzeugen, negative Auswirkungen auf das Klima. Mit „Chemtrails“ hat dies selbstverständlich nichts zu tun, aber diese Kondensstreifen in Wasserdämpfe umzuwandeln wäre eine erstrebenswerte Verbesserung.

Bei Flugzeugen mit Wasserstoff-Antrieb und mit Hinblick auf klimaneutrales Fliegen müssen jedoch auch noch andere technologische Veränderungen künftig berücksichtigt werden. So benötigt es eine Steigerung der Gesamteffizienz mit leichteren Tanks und Brennstoffzellensystemen inklusive Kühlung und innovativen Verteilungssystemen für flüssigen Wasserstoff im Flugzeug. Aber auch Turbinen, die Wasserstoff mit geringen NOx-Emissionen verbrennen können, oder effiziente Betankungstechnologien, die Durchflussraten wie bei Kerosin ermöglichen, sind noch ausständig.

Erste Prototypen steigen in den Himmel

Diverse Prototypen gingen übrigens schon in die Luft – und das bereits seit Beginn der 2000er Jahre. Der erste „Passagierflieger“ mit reinem Wasserstoff-Antrieb hob erstmals 2016 ab. Entwickelt vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, wurde in Kooperation mit dem slowenischen Hersteller Pipistrel das Kleinflugzeug HY4 entwickelt, welcher über vier Sitze verfügt und bis zu 1.500 Kilometer weit fliegen kann.

Im Oktober 2020 hat der Flugzeugbauer ZeroAvia, der auf umweltfreundliche Flugzeugantriebe spezialisiert ist, nachgezogen und hat ein Wasserstoff-Flugzeug namens „HyFlyer“ in die Luft geschickt.  Beim „HyFlyer“ handelt es sich um ein Brennstoffzellen-Flugzeug mit sechs Sitzen, das bei einem weiteren Testflug vor Jahresende über 400 Kilometer zurücklegen soll. Im Rahmen des von der britischen Regierung unterstützten Projekts, plant man den ersten kommerziellen Betrieb bereits ab 2023. Danach soll es dann Schlag auf Schlag gehen: Bis zum Ende dieses Jahrzehnts sollen Flugzeugmodelle für 50 bis 100 Passagiere realisiert werden. Flüge mit mehr als 200 Sitzplätzen und einer Reichweite von über 5.000 Kilometern hält das Unternehmen bis zum Jahr 2040 für realistisch.

Mittelfristig zielt ZeroAvia darauf ab, seine Technologie in Flugzeugen mit zehn bis zwanzig Sitzplätzen zu integrieren, die über eine Reichweite von bis zu 800 Kilometern verfügen sollen. Diese Flugzeuge sollen einerseits für den kommerziellen Personenverkehr, aber in umgebauter Version auch für Frachttransporte genutzt werden können. ZeroAvia geht davon aus, dass der wasserstoffelektrische Antriebsstrang aufgrund niedrigerer Kraftstoff- und Wartungskosten voraussichtlich sogar niedrigere Betriebskosten als vergleichbare Flugzeuge mit Kerosin aufweisen wird. Wir sind bereits sehr gespannt.

Erstflug des ersten Flugzeugs mit Wasserstoffbrennstoffzelle im September 2020

Große Pläne bei Airbus

Ehrgeizig gibt man sich bei Airbus, wo man bis 2035 das weltweit erste emissionsfreie Verkehrsflugzeug herausbringen möchte. Dazu hat der europäische Hersteller gleich drei unterschiedliche Konzepte in der Pipeline, von denen eines umgesetzt werden soll. Mit dem sogenannten Turbofan-Design will man 120 bis 200 Passagiere über mittlere Strecken von etwa 3.700 Kilometern befördern. Das Konzept fällt etwas kleiner aus als das aktuelle Basismodell A320neo, das bei zahlreichen Fluglinien im Einsatz ist, erreicht aber mit gut 800 km/h auch Wasserstoff-getrieben die gleiche Reisegeschwindigkeit.

Der zweite Entwurf ist ein Turboprop-Flugzeug mit Propellerantrieb für bis zu hundert Passagiere auf Kurzstrecken, das mit gut 600 km/h rund hundert Stundenkilometer schneller wäre als heutige Turboprop-Maschinen. Die Besonderheit: Beide Entwürfe sind von modifizierten Gasturbinen angetrieben, ergänzt durch einen Hybrid-Elektromotor gespeist aus Brennstoffzellen. Hier erfindet Airbus das Rad nicht neu, setzt also bewusst auf eine „konventionelle“ Konfiguration.

Am spektakulärsten präsentiert sich ein Wasserstoff-getriebener Nurflügler, der „Blended Wing Body“. Hier formen Flügel und Rumpf einen durchgehenden aerodynamischen Körper zur optimalen Aufnahme des Wasserstofftanks mit vorteilhafter Aerodynamik. Geht es nach Airbus-eigenen Prognosen, scheint derzeit allerdings das Turboprop-Modell am realistischsten für eine künftige Umsetzung. Der vorgegebene Zeitraum von 15 Jahren ist ebenfalls ambitioniert, aber für das europäische Paradeunternehmen – laut zahlreicher Experten – absolut in Reichweite.

Immer zwei Seiten der Medaille

Bleibt noch das Für und Wider von Wasserstoff selbst genauer zu betrachten. Denn auch wenn mit H2 betriebene Flugzeuge zwar keine umweltschädlichen Emissionen erzeugen, bleiben einige Punkte dringend zu bedenken. Die Idee, Wasserstoff statt Kerosin als Energiequelle für Flugzeugtriebwerke zu nutzen, ist nicht neu, aber sie ist weiterhin eine Herausforderung. So besitzt Wasserstoff etwa im Vergleich zum gängigen Flugzeugtreibstoff Kerosin eine dreifach höhere Energiedichte – ein großer Vorteil gegenüber Batterien – und wiegt nur ein Drittel soviel. Dennoch benötigt Wasserstoff vier Mal mehr Volumen als Kerosin. Außerdem benötigt flüssiger Wasserstoff aufwendige Kühlsysteme, was vor allem mehr Gewicht mit sich bringt – ein entscheidender Faktor im Flugzeugbau.

Parallel dazu müssen auch am Boden entsprechende Maßnahmen wie größere Tanks oder Wasserstoffdepots mitgedacht werden. Ganz abgesehen davon, dass auch die Erzeugung von Wasserstoff selbst bekanntlich noch immer sehr aufwendig und teuer ist, insbesondere, wenn auch seine Herstellung nachhaltigen Kriterien entsprechen soll.

Kurz auf den Punkt gebracht – bleibt also noch einiges zu tun für das marktreife, klimaneutrale Wasserstoffflugzeug im Normalbetrieb. Gut, dass es die Politik bereits auf ihre Agenda gesetzt hat.

Gut zu wissen: H2 als „Sprit“

Wasserstoff kann grundsätzlich in Verbrennungsmotoren, Elektromotoren und Antriebssystemen mit Wasserstoff-Sauerstoff-Brennstoffzellen zum Einsatz kommen. 

  • Im Wasserstoffverbrennungsmotor wird Wasserstoff als Kraftstoff eingesetzt, der durch eine Knallgasreaktion meist nach dem Ottoprinzip den Motor am Laufen hält.
  • Brennstoffzellenfahrzeuge sind Transportmittel, bei denen die elektrische Energie in einer Brennstoffzelle mittels Wasserstoff lokal erzeugt und in Bewegung umgewandelt oder zeitweise in einer Traktionsbatterie zwischengespeichert wird. Als „Abgas“ entsteht dabei Wasserdampf.
  • Beim E-Auto wird Energie normalerweise aus der Steckdose „getankt“ und im Akku für den weiteren Einsatz gespeichert. Alternativ können aber auch hier Brennstoffzellen als Energiewandler für den Antrieb des Elektromotors eingesetzt werden. 
  • Tests haben erwiesen, dass mit Wasserstofftanks ausgestattete Fahrzeuge im Falle eines Unfalls wesentlich ungefährlicher sind als solche mit Treibstofftanks. Die Mär von den rollenden „Knallgasbehältern“ kann somit ins Reich der Mythen verbannt werden.