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Der erste Luftfrachttransport ging bereits 1910 in Ohio über die Bühne

110 Jahre Luftfracht – Von einem ungleichen Wettrennen und viel Seide

Güter per Flugzeug von A nach B zu bringen, erscheint den meisten Menschen als eine relativ junge Transportmöglichkeit aus dem späten vorigen Jahrhundert. Tatsächlich liegt der Beginn der Luftfrachtära jedoch viel weiter zurück und der erste Transport fand bereits vor 110 Jahren statt. Am 7. November 1910 stieg ein Flugzeug der berühmten Flugpionier-Gebrüder Wright mit einer Ladung Seide in die Luft und setzte sich in Ohio im Wettlauf gegen einen Expresszug ganz klar durch. Der erste Schritt zu einer unglaublichen Erfolgsgeschichte war gesetzt. Blicken Sie mit uns in die Anfangstage der Luftfracht zurück…

Zwei Brüder und ein „fliegender Whopper“

Dass der weltweit erste Lufttransport ausgerechnet mit einem Flugzeugmodell der genialen Brüder Wright über die Bühne gehen sollte, war wenig verwunderlich. Schließlich galten Wilbur und Orville Wright als wahre Pioniere und die ersten Piloten eines motorisierten Flugapparates überhaupt. Ihr „Wright Flyer I“, von den beiden Konstrukteuren auch „The Whopper Flying Machine“ genannt, erhob sich am 17. Dezember 1903 zum ersten Motorflug mit Passagier in die Lüfte. Die bescheidene, aber dennoch weltverändernde Leistung beim Erstflug in Kitty Hawk, North Carolina: 260 Meter innerhalb einer Flugdauer von 59 Sekunden.

Nach zahlreichen weiteren Versuchen, etwas Tüftelei am Motor und dem Aufbau der Flügel konnten die beiden Brüder ihre Erfahrung in die Konstruktion des „Wright Model B“ einfließen lassen. Dieses Flugzeug könnte man mit etwas Augenzwinkern als den ersten „Luftfrachter“ der Welt bezeichnen, denn er kam bald darauf zum Einsatz.

 

Ein findiger Unternehmer erfindet die Luftfracht

Die Idee, Flugzeuge für kommerzielle Zwecke einzusetzen, kam von Max Morehouse, dem Präsident der Morehouse-Martens Company in Columbus, Ohio. Der clevere Geschäftsmann erkannte das Potenzial für den „Warenversand“ per Flugzeug, nachdem er über den erfolgreichen Flug von Glenn Curtiss, einem weiteren Luftfahrtpionier, von Sandusky nach Cleveland gelesen hatte. Er kontaktierte daraufhin Orville und Wilbur Wright, um zu prüfen, ob sie eine umfangreiche Lieferung Seide von einem Großhändler in Dayton zum Geschäftsstandort in Columbus liefern könnten. Zwischen den beiden Unternehmen wurde in einem Vertrag vereinbart, dass ein Flugzeug und ein Pilot gegen eine Gebühr von 5.000 US-Dollar für diese unübliche Werbeaktion bereitgestellt werden. Um das ganze Vorhaben aufzuwerten, wurde zusätzlich noch ein Wettlauf zwischen dem Flugzeug und einem auf gleicher Strecke verkehrenden Expresszug ausgerufen. Die Aufmerksamkeit war ihnen gewiss und der Werbewert immens.

 

„Smooth as silk“ im Wettlauf mit einem Zug

Die zehn zu transportierenden Stoffballen mit feinster Seide wurden in zwei Packungen aufgeteilt: eine enthielt einen einzigen großen Ballen aus dunkelrosa Seide, während die anderen neun Ballen aus verschiedenen Farben bestanden. Insgesamt wog die Sendung knapp über 90 Kilogramm. Am 7. November 1910 kam es schlussendlich zur denkwürdigen Premiere: Ein von Philip Orin Parmalee gesteuerter „Wright Model B“-Flieger brachte den Textiltransport unter dem Jubel vieler Zuschauer problemlos von Dayton nach Columbus. Parmalee absolvierte den 105 Kilometer langen Flug in nur 57 Minuten, was gleichzeitig auch einen erneuten aeronautischen Weltrekord bedeutete. Der konkurrierende Expresszug wurde dabei ganz klar in die Schranken gewiesen und es zeigte sich früh, dass die Luftfracht von nun an als die schnellste Transportmodalität galt und dabei gleichzeitig eine neue Ära eingeläutet wurde: Ein Kunde bestellte einen „cargo-only“-Flug und konnte mit einer schnellen und direkten Zustellung rechnen. Dieser erste Transportflug wurde übrigens intermodal abgewickelt, da ein Auto die Güter jeweils zum Flughafen bzw. vom Flugfeld zum Endabnehmer brachte.

Philip Orin Parmelee (1887 - 1912) war ein amerikanischer Luftfahrtpionier und erhielt den Spitznamen „Skyman“

 

Logischer nächster Schritt: die Luftpost!

Zwar hatte der erste erfolgreiche Frachtflug alle Merkmale eines „richtigen Lufttransports“, doch aus technischen Gründen dauerte es selbstverständlich noch länger, bis nennenswerte Gütermengen über richtig lange Distanzen transportiert werden konnten. Die Flugzeuge waren einfach nicht so weit entwickelt und auch die Technik, wie Motorantrieb, Navigation oder Leitwerke, boten noch enormes Verbesserungspotential. Doch für die Luftpost waren die frühen „Klapperkisten“ mehr als genug. So verwundert es nicht, dass es bereits 1911 zu ersten Luftposttransporten in Britisch-Indien und Großbritannien kam.

Die erste offizielle „Luftpost“ wurde am 18. Februar 1911 von Allahabad nach Naini (Provinz Uttar Pradesh) transportiert. Ein gewisser Henri Pequet brachte im Rahmen einer Flugvorführung 6.500 Briefe an den 13 Kilometer entfernten Zielort. Diese Leistung beeindruckte die Öffentlichkeit, sodass ein erster planmäßiger Luftpostdienst im heimatlichen Großbritannien eingeführt wurde: Im Rahmen der Krönungsfeierlichkeiten von König George V. wurde ein einmonatiger Sonder-Luftpostdienst durchgeführt, der die zahlreichen Gratulationen und Glückwünsche per Flugzeug über die 34 Kilometer lange Strecke von London nach Windsor beförderte. Das britische Luftpostexperiment wurde nach nur 16 Flügen aufgrund ständiger und schwerer Verspätungen bei schlechtem Wetter abgebrochen. Diese frühen Flugzeuge waren einfach nicht dazu konstruiert, dem britischen Wetter standzuhalten.

 

Stetes Wachstum und ein Booster

Unbeeindruckt vom britischen Wetter wuchs die Luftfahrt (und damit verbunden auch die Luftfracht) beständig weiter und zunehmend zuverlässigere Flugzeuge transportierten eine Kombination aus Passagieren und Gütern. Eine Kombination, die bis heute üblich ist. Mit verbesserter Technik und vielen neuen Entwicklungen wagten sich die Flugzeuge nun erstmals weiter und überquerten auch die Meere. 1919 beförderte beispielsweise der erste Linienflug von London nach Paris einen Passagier, Leder für einen Schuhmacher und einen Auerhahn für ein Restaurant über den Ärmelkanal. Aus heutiger Sicht eine durchaus unübliche Zusammenstellung.

Die Schrecken des zweiten Weltkriegs führten in gewisser Weise zu enormen Fortschritten in der Antriebstechnologie, als erste, leistungsfähige Jet-Triebwerke serienreif wurden. Zudem zeigte sich an vielen Kriegsschauplätzen, dass Flugzeuge eine wichtige Rolle bei der schnellen Verlegung von Truppen, Waffen und Vorräten spielten – in weiterer Folge lies sich dadurch auch ein ungeahntes Potential für den zivilen Sektor erkennen.

Bereits 1945 erfolgte die Gründung der International Air Transport Association (IATA) und im gleichen Zeitraum entstanden erste reine Frachtfluggesellschaften, obwohl es zu dem Zeitpunkt weiterhin noch üblich war, dass Flugzeuge eine Kombination aus Fracht und Passagieren beförderten. 1968 brachte Boeing seine 747 – den „Jumbo Jet – auf den Markt. Das erste Flugzeug, das breit genug war, um volle Paletten im Frachtraum zu transportieren.

 

Expresspakete und ein E-Commerce-Boom mit einer dunklen Seite

Erst in den 1990er Jahren nahm die Idee von Flugzeugen mit dem Hauptzweck des Frachttransports erneut Fahrt auf. Dies war dem Wachstum der weltweit operierenden Express-Paketdienstleister zu verdanken. Zudem fand das Internet in dieser Epoche zunehmend seinen Weg in die Wohnzimmer durchschnittlicher Leute. Sehr schnell zeigte sich: im „World Wide Web“ lässt sich exzellent Handel treiben und Konsumgüter verkaufen. Das Internet hat in der Tat einen globalen Markt eröffnet und dem Aufkommen des E-Commerce-Booms ist zu verdanken, dass die Luftfracht einen immensen Wachstumsschub verzeichnen konnte. Tatsächlich überbieten sich die Onlinehändler heute mit dem schnellsten Versand, die Waren müssen immer blitzschnell beim Käufer ankommen und auch noch ständig verfügbar sein.

Dies mag einerseits das Konsumerlebnis fördern, ist zeitgleich aber emissionstechnisch nicht sehr nachhaltig. Hier setzen derzeit neue Entwicklungen an, die einer technischen Revolution gleichen würden: ein CO2-neutral fliegendes Passagierflugzeug mit Wasserstoffantrieb! Zuletzt vermeldete Airbus ein konkretes, vielversprechendes Projekt, welches 2035 zum Erstflug antreten soll. Eins ist ganz klar – die Luftfracht wird weiterhin eine immense Bedeutung für die internationalen Lieferketten haben und überall dort, wo Waren rasch und zuverlässig transportiert werden sollen, die erste Wahl sein. Wenn dies demnächst auch noch CO2-neutral über die Bühne gehen könnte, wäre diese Transportmöglichkeit nahezu perfekt.

Ein Foto des ersten kommerziellen Transportflugs mit Hilfe eines Wright Model B

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