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Im Gespräch mit Essa al-Saleh, CEO von Volta Trucks

"Wir werden der führende Hersteller von vollelektrischen Nutzfahrzeugen sein“

Volta Trucks ist das Start-up, das kürzlich mit seinem „Volta Zero“ für Aufsehen gesorgt hat. Es ist das weltweit erste speziell für den innerstädtischen Paket- und Güterverkehr konzipierte, vollelektrische 16-Tonnen-Nutzfahrzeug. Der Zero wird derzeit in europäischen Städten getestet und die Produktion soll 2022 starten. Wir haben uns mit dem CEO, Essa al-Saleh, über deren ehrgeizige Pläne, Kabinen im Gewächshaus-Design und enge Gässchen in Europas Innenstädten unterhalten.

Interviewer: Sehr wenig Zeit lag zwischen der Gründung von Volta Trucks im Mai 2019 und der ersten Reihe an Tests Ende 2020. Die ersten Lieferungen an reguläre Kunden sind bis Ende 2021 zu erwarten. Was war Ihrer Meinung nach bislang die größte Herausforderung für Volta? Gab es frühere Projekte, auf denen Ihr Unternehmen aufbauen konnte, bevor es 2019 gegründet wurde?

Essa al-Saleh: Ein Unternehmen aufzubauen und zu vergrößern ist immer eine große Herausforderung. Oft weiß man zwar, wohin die Reise geht, aber der Weg vom Anfang bis zum Erreichen des Ziels verläuft niemals geradlinig, also muss man agil sein. Außerdem findet unser Markteintritt zu einem entscheidenden Zeitpunkt statt, einer Zeit des Übergangs weg von Verbrennungsmotoren und hin zu emissionsfreien Antriebssystemen, wobei batteriebetriebene Vehikel eine wichtige Rolle spielen werden. Mit unseren neu konzipierten E-Fahrzeugen, bei denen alles von Grund auf neu entworfen wurde, entstehen für uns dadurch großartige Möglichkeiten. Wir gehen nicht nur auf die voraussichtlichen wirtschaftlichen Anforderungen unserer Kunden ein, sondern auch auf die Gesundheit und Sicherheit der Fahrer und ihre Umgebung bei einer Fahrt durch die Stadt. Um dieses Potential zu realisieren, haben wir im September letzten Jahres unseren ersten Prototypen eingeführt, und damit viel Begeisterung und Spannung erzeugt. Wir haben eine außergewöhnliche Gruppe von Menschen zusammengestellt, die motiviert sind, Veränderungen voranzutreiben und etwas Neues zu tun, was unsere gemeinsame Reise aufregend, spannend und lohnend macht.

Das erste, das einem am Fahrzeug auffällt, ist das futuristische Aussehen und die ungewöhnliche Gestaltung der Fahrerkabine. So ähnelt der LKW eher einem größeren Lieferwagen. Die Fahrer werden sich darüber bestimmt freuen, aber wieso hat man sich für eine so niedrige Einstiegshöhe entschieden?

Carl-Magnus Norden gründete Volta Trucks basierend auf zwei wesentlichen Prinzipien. Das erste war seine Unzufriedenheit mit dem Tempo des Wandels und den bisherigen Lösungen für das globale CO2-Problem. Das zweite war sein klarer Fokus auf dem Verstehen der Kundenbedürfnisse und der Suche nach Lösungen für sie. Ausgehend von diesen Prinzipien soll das Design unserer Fahrzeuge systemischen Risiken für die Gesundheit und Sicherheit der Fahrer entgegenwirken. Das Design ermöglicht es den Fahrern, ihre Umgebung gut zu überblicken, unterstützt durch eine 360-Grad-Kamera. Außerdem können die Fahrer durch die mittige Positionierung des Sitzes und den niedrigen Einstieg leicht in das Fahrzeug ein- und aussteigen. So können sie immer auf den Bürgersteig treten, statt in den entgegenkommenden Verkehr. Schließlich springen sie oft mehr als 50 Mal pro Tag ein- und aus. Indem wir uns darauf konzentrieren, möchten wir eine bessere Arbeitsumgebung für Fahrer schaffen und sie von unseren Lastwagen überzeugen.

Ein Vorteil von Elektrofahrzeugen ist die niedrige Lärmbelästigung. Einerseits könnte dadurch in Zukunft ermöglicht werden, dass LKW nachts Waren in Wohngebiete liefern. Andererseits kann das Fehlen von Geräuschen für Passanten auch gefährlich sein. Große Fahrzeuge mit 16 Tonnen könnten übersehen werden und es könnte in Innenstädten zu gefährlichen Situationen kommen. Ist geplant, Warntöne oder künstliche Motorengeräusche aus Lautsprechern einzusetzen?

Ja. Seit 1. Juli 2019 ist von der EU gesetzlich vorgeschrieben, dass Elektrofahrzeuge ein Akustisches Fahrzeug-Warnsystem haben müssen, das beim Rückwärtsfahren oder ab einer Geschwindigkeit von 20 km/h Geräusche erzeugt, um Verkehrsteilnehmer um das Fahrzeug herum zu warnen. Mit der Fahrerkabine im Glashaus-Stil und dem 220-Grad-Sichtfeld für Fahrer ist der Volta Zero eines der sichersten Nutzfahrzeuge und ermöglicht es, sich in Innenstädten sicher zwischen gefährdeten Verkehrsteilnehmern zu bewegen. Das Fahrzeug auditiv wahrzunehmen, trägt erheblich dazu bei.

In den USA sind Elektro-LKW auch ein großes Thema. Können Sie sich vorstellen, in den nächsten Jahren in diesen Markt einzutreten, zum Beispiel in eine Marktnische für Stadtlieferwagen?

Absolut! Unsere Strategie zur Erreichung der Emissionsfreiheit macht die USA ein zukünftiger Zielmarkt für uns. Wir werden mit einer Markteinführung in Europa beginnen, aber ich bin mir sicher, dass die USA zu gegebener Zeit ein wichtiger Markt für uns sein werden.

Denken Sie, dass sich die Nutzfahrzeugindustrie schnell genug entwickelt, was die E-Mobilität betrifft? Im Gegensatz dazu sind bereits viele Elektroautos auf den Straßen unterwegs. Es gab einen Hype um bestimmte neue Automarken. Viele etablierte Hersteller bieten nun ebenfalls tolle E-Autos an und es gibt eine hohe Anzahl an Zulassungen. Im Vergleich dazu passiert bei den LKW nicht viel. Was glauben Sie, ist der Grund dafür? Was ist die größte Herausforderung, wenn es darum geht, einen Frachtführer zu überzeugen?

Kurzum, nein, ich glaube nicht, dass die Veränderung in dieser Branche schnell genug voranschreitet, aber so bekommen wir die Möglichkeit, unsere Pläne voranzutreiben und ein benötigtes Produkt auf dem Markt anzubieten. Die Nutzfahrzeugindustrie hat mit gesetzlichen Einschränkungen zu kämpfen und ist in einigen Ländern wie Frankreich aggressiver als die PKW-Industrie, während die Förderungen weniger verbreitet und der Entscheidungsprozess bei Nutzfahrzeugen komplexer ist als bei Personenkraftwagen. Aus diesem Grund haben wir unser Truck-as-a-Service-Angebot gestartet, bei dem Fuhrparkmanager während des Umstiegs auf Elektrofahrzeuge bei jedem Schritt unterstützt werden. Für einen Fuhrparkmanager ist der Ankauf eines weiteren Fahrzeugs mit Verbrennungsmotor einfach, schließlich haben sie das schon immer gemacht, aber das wird die Klimakrise, der unser Planet gegenübersteht, nicht lösen. Um einen Elektro-LKW anzuschaffen, muss bei allem umgedacht werden, von der Finanzierung, der Versicherung, dem Aufladen bis hin zur Instandhaltung. Mit Truck-as-a-Service möchten wir ihr Dienstleistungsanbieter und Geschäftspartner sein, indem wir Fuhrparkmanager bei all ihren Bedürfnissen für die Elektrifizierung unterstützen, um ihnen beim Umstieg auf elektrische Nutzfahrzeuge zu helfen.

Der Volta Zero wird derzeit intensiv getestet

“Die Nachfrage ist deutlich gestiegen und daher haben wir in unseren Prognosen auf über 27.000 Fahrzeuge pro Jahr bis 2025 erhöht. Bis dahin werden wir, mit vier Modellen in Produktion und mit unserer Geschäftstätigkeit zuerst in Europa, dann in Nordamerika und schließlich in asiatischen Städten, wirklich der führende Hersteller von vollelektrischen Nutzfahrzeugen sein.”

Essa al-Saleh über die ehrgeizigen Pläne von Volta Trucks für die nächsten Jahre.

Andere größere – sozusagen – „traditionelle“ Autohersteller bieten bereits E-LKW an beziehungsweise haben ein eigenes Elektro-LKW-Programm angekündigt. Was zeichnet Volta – als Start-up – im Vergleich zu den „alteingesessenen“ aus und was unterscheidet euch als Unternehmen von anderen Unternehmen?

Von den etablierten Herstellern gibt es einige wenige Konzepte und Prototypen für Elektronutzfahrzeuge, aber derzeit wird eigentlich nur eine sehr geringe Anzahl auf den Markt gebracht. Der größte Unterschied zwischen Volta Trucks und der Konkurrenz ist, dass die heutigen Hersteller verständlicherweise ihre bereits bestehenden Plattformen und Fahrzeugarchitekturen nutzen und einen Elektroantrieb in diese einbauen. Indem Elektronutzfahrzeuge bei Volta Trucks von Grund auf neu konzipiert werden, können wir die zahlreichen Möglichkeiten für das Design und die Aufmachung ausschöpfen, die sich durch das Entfernen des Verbrennungsmotors ergeben. Die Kabine und Arbeitsumgebung des Fahrers können komplett neu gestaltet werden. Genau das ermöglicht das bereits erwähnte innovative Kabinendesign. Somit ist der Elektroantrieb für Volta Trucks auch eine Chance, und ermöglicht es uns, die sichereren und nachhaltigeren Fahrzeuge zu entwickeln, die sich unsere Kunden wünschen. Zu guter Letzt, und das ist besonders wichtig, möchten wir so bald wie möglich vollelektrische Fahrzeuge auf die Straßen bringen, um die Bedürfnisse unserer Kunden zu erfüllen und die Dekarbonisierung der Innenstädte schneller voranzutreiben. Das steht im Gegensatz zu den weniger ambitionierten Zielen für 2035-40, die sich die Konkurrenz gesetzt hat.

Es gibt verschiedene Batteriesysteme, die der Durchschnittskunde oft kaum in ihrer technischen Vielfalt versteht. Welchen Ansatz hat Volta Trucks verfolgt und wie groß wird die Batterie sein? In den letzten Jahren gab es Berichte über vereinzelte Batteriebrände in Elektrofahrzeugen. Wird es im Fahrzeug eine spezielle Sicherheitszelle rund um die Batterie geben? Müssen Hersteller von E-LKW besonders auf das Fahrgestell oder die Karosserie ihrer LKW achten?

Da Sicherheit im Zentrum unserer Marke steht, ist die Batteriesicherheit immens wichtig. Aus diesem Grund haben wir Proterra, einen der weltweit führenden Hersteller von Batterien für Elektrofahrzeuge, als unseren Lieferanten ausgewählt. Mit unserem Ansatz, ein von Grund auf neues Design zu kreieren, haben wir die Batterie in der Mitte des Fahrzeugs zwischen den Rahmenlängsträgern platziert, weil das der sicherste Ort bei einem Unfall ist. Was die Batteriegröße betrifft, so wurde der Volta Zero speziell als Lieferfahrzeug für die Innenstadt entwickelt und wir haben ihn mit einer Batterie für eine Reichweite von 150-200 km ausgestattet, was den Bedürfnissen unserer Kunden mehr als genügt. 

In letzter Zeit scheint nicht nur die Elektromobilität gefördert zu werden. Wasserstoffbetriebene LKW werden derzeit ebenfalls intensiv getestet und sollen zur Marktreife gebracht werden. Denken Sie, dass in der Frachttransportbranche eine Konkurrenz zwischen diesen zwei Arten von nachhaltigen Motoren entstehen könnte?

Anders als bei Personenkraftwagen, bei denen die Elektrotechnologie eindeutig dominiert, sehen wir bei Nutzfahrzeugen, dass es dort wahrscheinlich mehrere unterschiedliche technologische Lösungen geben wird, abhängig vom Verwendungszweck des Fahrzeugs. Für kurze Strecken und die letzte Meile, für die der Volta Zero entwickelt wurde, ist E-Technologie die Lösung. Für längere Strecken könnte eine Kombination aus Elektro-, Wasserstofftechnologie und vielleicht noch anderen Technologien geeignet sein.

Das erste Modell von Volta Trucks, „Zero“ genannt, wird seit September 2020 getestet und seinen Leistungsdaten nach ist es ein klassischer "Liefertruck" mit 16 Tonnen. Sind andere Modelle oder Abänderungen des aktuellen Modells geplant? Könnte es Kühl-LKW für den Transport von Nahrungsmitteln und Medikamenten geben? Planen Sie, das Angebot für den Überlandtransport zu erweitern?

Zusätzlich zu dem bestehenden Volta Zero mit 16 Tonnen haben wir angekündigt, dass wir auch vollelektrische Modelle mit 7,5 Tonnen, 12 Tonnen und 19 Tonnen einführen werden, um den Anforderungen unserer Kunden gerecht zu werden. Wir arbeiten auch an Modellen des Volta Zero mit unterschiedlichen Kühlsystemen, sodass wir bis 2025 ein Produktportfolio anbieten können.

Was ist mit der Wendigkeit bei der Auslieferung der Waren? Viele europäische Städte möchten Verbrennungsmotoren aus Innenstädten verbannen. Außerdem sind die Innenstädte und Fußgängerzonen in vielen Ballungszentren in Europa alt und eng. Wo stößt das Fahrzeug an seine Grenzen?

Wir haben den Volta Zero so entworfen, dass er sich bestens für Lieferungen auf der mittleren und letzten Meile sowie für die Logistik in Innenstädten eignet. Auch wenn es ein großes Fahrzeug mit 16 Tonnen ist, machen das Design der Fahrerkabine und das breite Sichtfeld das Lenken in engen Innenstadtstraßen leicht. Das Design hat den zusätzlichen Vorteil, dass es Fuhrparkmanagern erlaubt, in ihrem Fuhrpark mehrere Fahrzeuge in Kleinlaster-Größe durch eine geringere Anzahl an Volta-Zero-Fahrzeugen zu ersetzen. So verringern sich nicht nur die Kosten für den Fuhrparkmanager, sondern auch – zum Vorteil der Einwohner – der Verkehrsstau. 

Der Antrieb und die Batterien werden von US-amerikanischen Herstellern geliefert. Wird der Rest des E-Fahrzeugs in Europa hergestellt werden? Hat Volta Trucks bereits entschieden, in welchem Land die Endproduktion beginnen wird?

Wir werden den Standort unserer ersten Produktionsstätte in den kommenden Wochen bekanntgeben, aber sie wird in Europa sein.

Was ist die nächste Phase in der Entwicklung von Volta Trucks? Welche Verkaufszahlen und nächsten Schritte sind für die nähere Zukunft geplant?

Wir konzentrieren uns vollkommen darauf, den Volta Zero mit 16 Tonnen so schnell wie möglich auf den Markt zu bringen, um die Anforderungen unserer Kunden zu erfüllen und die Dekarbonisierung der Innenstädte schneller voranzutreiben. Wir werden Ende dieses Jahres unseren ersten Fuhrpark mit Pilotfahrzeugen für die Kundenevaluierung produzieren. Die Herstellung von kundenspezifischen Fahrzeugen wird 12 Monate danach starten. Die Nachfrage ist deutlich gestiegen und daher haben wir in unseren Prognosen die zu erwartende Absatzmenge auf über 27.000 Fahrzeuge pro Jahr bis 2025 erhöht. Bis dahin werden wir, mit vier Modellen in Produktion und mit unserer Geschäftstätigkeit zuerst in Europa, dann in Nordamerika und schließlich in wichtigen asiatischen Städten, wirklich der führende Hersteller von vollelektrischen Nutzfahrzeugen sein.

Wir danken für das Interview!