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„Zischfrisch“ aus der Dose

Transport per Hyperloop: Rohrpost im großen Stil

Anfang November verkündete Virgin Hyperloop One, in der Wüste Nevadas die erste bemannte Testfahrt mit einem Hyperloop durchgeführt zu haben. Laut Virgin-Gründer Richard Branson habe diese Technologie das Potenzial, den Transport von Menschen und Waren zu revolutionieren. Die Idee wird gemeinhin dem Tech-Innovator Elon Musk zugeschrieben, doch wo hat sie wirklich ihre Ursprünge? Wir laden Sie zu einer Rundfahrt durch die letzten zwei Jahrhunderte ein, bei der wir innovative Konzepte für den Waren- und Personentransport per Röhren, Vakuum und Elektromagnetismus erforschen.

Pneumatischer Personentransport unter dem Broadway

Als ältesten Vorfahren des Hyperloops könnte man die Rohrpost bezeichnen, die erstmals 1810 vom dänischen Ingenieur George Medhurst erdacht wurde. Er hatte die Idee, Pakete und andere kleine Gegenstände in Eisenrohren mittels Druckluft und Sog zu befördern. Gemäß diesem Konzept wurde im Jahr 1853 beim Londoner Telegrafenamt die erste Rohrpostanlage der Welt in Betrieb genommen. Bald wurde die Rohrpost nicht nur in ganz London, sondern auch in zahlreichen anderen Städten wie Berlin, Paris und New York genutzt. Nur wenige Jahre später wurde unter dem Broadway der US-Metropole ein unterirdisches Rohrpostsystem zur Beförderung von Menschen errichtet. Die „Beach Pneumatic Transit“ war von 1870 bis 1873 in Betrieb war und transportierte jährlich bis zu 400.000 Passagiere. Schließlich wurde diese „Personen-Rohrpost“ jedoch von dampfbetriebenen und später elektrisch angetriebenen U-Bahnen abgelöst.

Raketenwissenschaftler mit zündender Idee

Auch der Raketenpionier Robert Goddard wird gerne als Erfinder des Hyperloops zitiert. 1910 entwarf der Wissenschaftler einen Zug namens „Vactrain“, der Passagier-Kapseln auf Magneten schwebend durch einen vakuumversiegelten Tunnel schießen sollte. Der Vactrain sollte eine Geschwindigkeit von rund 1.600 km/h erreichen in nur 12 Minuten die Strecke von Boston nach New York zurücklegen können. Auch wenn diese Idee des damals unbekannten Goddard erst nach seinem Tod von seiner Frau patentiert wurde, so sicherte sie ihm doch einen fixen Platz in der Geschichte des Hyperloops. Ähnlich der projektierten Geschwindigkeit, war er seiner Zeit einfach weit voraus.

Neuer Schwung in den Swinging Sixties

Im Laufe der 1960er und 1970er Jahre wurde die Passagier-Rohrpost von einigen Forschern und Ingenieuren mit viel Enthusiasmus erneut aufgegriffen. Joseph Foa vom Rensselaer Polytechnic Institute im Bundesstaat New York postulierte in den 1960er Jahren das Projekt „Tubeflight“. Dabei sollten fast 60 Meter lange Züge auf Luftpolstern durch unterirdische Röhren gleiten. Den Antrieb würde ein Propeller am Heck durch Luftübertragung von vorne nach hinten liefern. So sollten Geschwindigkeiten von 650 bis 3200 Kilometern pro Stunde erreicht werden können.

Lawrence K. Edwards vom Luft- und Raumfahrtunternehmen Lockheed erarbeitete 1969 einen Vorschlag für ein Personenbeförderungssystem namens „Gravitrain“ oder „Gravity-Vacuum Transit“ (GVT), das Schwerkraft und Vakuum für den Antrieb verwendet. Der Tunnel wird nach unten geneigt, um den Zug nach dem Verlassen einer Station voranzutreiben, und nach oben geneigt, um die Geschwindigkeit zu begrenzen, wenn er sich der nächsten Haltestelle nähert. Doch keine dieser Ideen wurde damals von Stadtplanern oder Investoren aufgegriffen. Ob aus mangelndem Vertrauen in die Technik oder aufgrund unzureichender Mittel für die Umsetzung – die Zeit war wohl noch nicht reif.

Surfen auf elektromagnetischen Feldern

Im darauffolgenden Jahrzehnt entwickelte der Forscher Robert M. Salter vom Thinktank RAND Corporation ein U-Bahn-Konzept namens Planetran. Elektromagnetisch getragene und angetriebene Waggons, die in druckreduzierten unterirdischen Röhren fahren, sollten laut Salter in einer Stunde die ganze USA durchqueren können. Die Waggons würden dabei auf elektromagnetischen Feldern schweben, „genau wie ein Surfboard über die Meereswellen gleitet“, so Salter in seinem Vortrag „Trans-Planetary Subway Systems – A Burgeouning Capability“.

Um dieselbe Zeit entwarf der Ingenieur Rodolphe Nieth, inspiriert vom Konzept des ebenfalls weit vorangeschrittenen „Transrapids“ aus Deutschland, ein ähnliches System einer unterirdischen Magnetschwebebahn im Vakuumtunnel: die Swissmetro. Diese sollte in unterirdischen Röhren fahren, die mit Pumpen auf einen Druck von 100 Millibar gebracht werden. Bis zu 100 Passagiere sollten so bei über 500 km/h in nur 12 Minuten von Basel nach Zürich befördert werden können.

Doch auch diese Projekte scheiterten letztendlich an den zu hohen Umsetzungskosten. Der Bau eines flächendeckenden Planetran-Netzwerks in den USA wurde auf 1 Billion US-Dollar geschätzt, was heute 3,5 Billionen Euro entspräche. Die Swissmetro hätte etwa 25 Milliarden Franken – oder aus heutiger Sicht ca. 42 Milliarden Euro – gekostet. Auch, wenn letztere Idee nicht umgesetzt wurde, so war sie wohl ein wichtiger Ausgangspunkt für den Entwurf des Projekts „Cargo sous terrain“, ein automatisiertes unterirdisches Gütertransportsystem für die bevölkerungsdichtesten Teile der Schweiz. Leider wird dieses Projekt, sofern es umgesetzt wird, nicht elektromagnetisch beschleunigt oder gar in einem Vakuum verkehren.

Hyperloop: new era for human and freight transport

Fracht- und Passagierkapseln auf der Schwebebahn

Kurz vor Anbruch des 21. Jahrhunderts wurde der Gedanke in Form eines neuartigen Transportkonzepts wieder aufgenommen. 1997 gründete Daryl Oster die ET3 Global Alliance mit dem Ziel, ein globales Transportsystem zu verwirklichen, bei dem Fracht- und Passagierkapseln in luftleeren Röhren mit einem Durchmesser von 1,5 m über Magnetschwebebahnen transportiert werden. Laut Oster kann das ET3-System im Vergleich zu Elektroautos und Elektrozügen das 50-fache Transportvolumen pro Kilowattstunde liefern. Die zur Erreichung von 560 km/h benötigte elektrische Energie soll dabei nur 20 Cent kosten.

Bald hatte das Unternehmen hunderte Lizenzen in verschiedenen Ländern verkauft und im Sommer 2013 traf sich Daryl Oster in der SpaceX-Zentrale zu einem über dreistündigen Gespräch mit Elon Musk. Ob Letzterer eine der Lizenzen erworben hat, bleibt offen. Fest steht, dass sich Musk in seinem Hyperloop-Entwurf, den er zwei Wochen nach diesem Treffen in Form eines Whitepapers veröffentlichte, ausdrücklich auf ET-3 als Vorläufer bezieht. Und Oster erklärte daraufhin, er sei dankbar dafür, dass Musk die Idee an eine breite Öffentlichkeit gebracht hatte.

Virgin Hyperloop One: Schwerelos durch die Wüste

Im Juni 2014 gründete schließlich Shervin Pishevar – der sich übrigens bereits 2012 mit Musk über das Thema Hyperloop unterhalten hatte – gemeinsam mit Josh Giegel und Brogan BamBrogan das Unternehmen Hyperloop Technologies, das heute als Virgin Hyperloop One bekannt ist. Nachdem das Transportsystem rund 400 unbemannte Fahrten in einer 10 km langen Teströhre in Las Vegas absolviert hatte, wurde es am 8. November 2020 erstmals in einer Passagierfahrt erprobt – mit Erfolg und großem Medienecho.

Die Teststrecke, die für die erste bemannte Fahrt zum Einsatz kam, ist 500 Meter lang, hat einen Durchmesser von 3,3 Metern und befindet sich etwa 30 Minuten von Las Vegas entfernt in der Wüste. Die ersten zwei Passagiere waren der Chief Technology Officer und Mitbegründer von Virgin Hyperloop, Josh Giegel, und die Leiterin des Bereichs Passenger Experience, Sara Luchian. Nachdem sie sich in der Kapsel angeschnallt hatten, wurden sie in eine Luftschleuse überführt, während die Luft in der geschlossenen Vakuumröhre entfernt wurde. Der Pod beschleunigte dann entlang der kurzen Strecke auf 160 km/h, bevor er zum Stillstand kam. Nach dem Erfolg dieses Selbstversuchs plant das Unternehmen nun bis 2025 eine Zertifizierung und möchte bis 2030 mit dem kommerziellen Betrieb starten.

Kontaktlose Übergabe: Pizza aus der Röhre

Neben Virgin Hyperloop One und dem zuvor erwähnten Schweizer Projekt Cargo Sous terrain gibt es noch einige andere vielversprechende Konzepte für die Beförderung von Menschen und Gütern mittels Röhrensystemen. So zum Beispiel das in Großbritannien entstandene Projekt „Foodtubes“, das 2010 angekündigt wurde und in den aktuellen Zeiten der kontaktlosen Übergabe neue Bedeutung gewinnt. Die Idee: Ein Pipeline-System soll landwirtschaftliche Betriebe, Hersteller, Verarbeiter, Verpacker, Großhändler, Einzelhändler, Endverbraucher und Recyclinganlagen miteinander verbinden. So können sich Konsumenten nicht nur ihr Essen direkt ins Haus liefern lassen, sondern auch gleich die Essensreste direkt zur Kompostieranlage schicken. Laut den Erfindern könnten die Foodtubes allein im Londoner Stadtteil Croydon 700 Fahrzeuge pro Tag ersetzen, 90% der Energie für die Lieferung einsparen und das CO2 um 8% oder mehr reduzieren. Zuletzt sollen Interessenten über einen möglichen Bau ähnlicher Pipelines in Kanadas Permafrost und der Wüste im Mittleren Osten angefragt haben.

Freight only im Hafen Hamburg?

Eine weitere Initiative, die sich mit einem „freight only“ Zugang beschäftigt, ist eine Zusammenarbeit von Hyperloop Transportation Technologies mit dem Hafen Hamburg. Ziel ist es, einen Behälter zu entwickeln, welcher Container aufnehmen kann und im Hyperloop weiter transportiert. Die Entwicklung ist den beiden Partnern eine Investition von sieben Millionen Euro wert – ist doch noch viel Grundlageforschung zu erledigen. Konkret wird hier erst einmal an einer technischen Lösung gearbeitet, wie das Transport- und Umschlagsystem aussehen müsste, damit man „das Eckige ins Runde“ bekommt.

Zwei Faktoren scheinen den Machern besonders wichtig zu sein: Erstens wäre die Röhre energiesparend und dadurch kostengünstiger. Zweitens würde diese Transportvariante durch Reduzierung des Straßentransports und Entlastung der Bahnstrecken auch die Umwelt schonen. Angenehmer Nebeneffekt: Ausgerechnet die exzellente Hinterlandanbindung des Hamburger Hafens ist das, was ihn von seinen größten Konkurrenten an Europas Nordküste abhebt.

Doch nicht nur Hamburg scharrt hierbei in den Startlöchern. Auch DP World aus Dubai, einer der weltgrößten Hafenbetreiber, engagiert sich zunehmend in diesem Bereich. Auch aus ihrer Sicht ist eine Nutzung zum Frachttransport sinnvoll. Es bleibt also ein offenes Rennen.

Unser Fazit: Wer nach zukunftsträchtigen, innovativen Ideen für neue Transportkonzepte sucht, ist auch weiterhin gut beraten, in die Röhre zu schauen!

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