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Cargo sous terrain soll nachhaltigen Gütertransport unter der Schweiz ermöglichen

Die Zukunft fährt unterirdisch

Auf den Straßen und in den Städten Europas wird es zunehmenden voller. Einen großen Anteil machen dabei auch LKWs aus – ein Faktum, das sich auch letztendlich in einen stetig größer werdenden ökologischen Fußabdruck niederschlägt. So kommt es, dass die Nachfrage nach umwelt- und verkehrsschonenden Transportmöglichkeiten anwächst und neue Wege für die Versorgung von urbanen Zentren gesucht werden. Mit „Cargo sous terrain“ (CST), einer innovativen Lösung für die Güterverkehrsinfrastruktur, sucht man in der Schweiz die Lösung im Untergrund. Denn Löcher bohren, das können sie, die Schweizer – und eine Art „Fracht-U-Bahn“ könnte eine praktikable Lösung sein.

Zugegeben – das Projekt Cargo sous terrain war bereits seit einiger Zeit im Gespräch, doch nun wird es endlich handfest: Nach dem Überwinden einiger Hürden soll das CST ab 2031 den Schweizern einen flexiblen Transport kleinteiliger Güter ermöglichen. Durch unterirdische Tunnel werden Produktions- und Logistikstandorte mit den wichtigsten urbanen Zentren der Schweiz verbunden.

Sukzessiver Ausbau geplant

Der Startschuss des Projekts fällt mit der ersten Teilstrecke, die den Raum Härkingen-Niederbipp mit Zürich verbindet. Diese erste Verbindung des unterirdischen Netzwerks wird rund 70 Kilometer lang sein. An ihr wird es zehn Anschlussstellen, sogenannte Hubs, geben. Der Anschluss weiterer wichtiger Logistik- und Verteilzentren in der Schweiz erfolgt sukzessive. Bis zum Jahr 2050 soll im Endausbau ein 500 Kilometer langes Gesamtnetz zwischen dem Boden- und dem Genfersee entstehen und den gebirgigen Kleinstaat überspannen. Dieses ambitionierte Vorhaben lässt man sich einiges kosten. Für den Bau des ersten Streckenabschnitts sind insgesamt 2,8 Milliarden Euro notwendig. Für das finale Netz sind weitere 27,8 Milliarden Euro veranschlagt. Für ein Projekt dieses Umfangs eher unüblich: Cargo sous terrain erachtet sich als eine marktbasierte Initiative mit freier Finanzierung. Der Bau der Infrastruktur und der Betrieb des Tunnels werden nicht mit öffentlichen Geldern gefördert.

Effiziente Diener im Untergrund  

Die vermehrten innerstädtischen Verkehrsprobleme und die Tatsache, dass gerade der Gütertransport einen großen Teil dazu beiträgt, hat Cargo sous terrain dazu veranlasst, ein einzigartiges Citylogistik-System zu konzipieren. In unterirdischen Röhren, in 20 bis 40 m Tiefe, sollen die Güter transportiert werden. Der Tunnel soll einen Durchmesser von etwa 6 m besitzen und wird dreispurig ausgeführt. Ja, richtig gelesen: Es werden keine Gleise verlegt, denn die Wagen verkehren auf großen Rollen auf eigenen Fahrspuren.

Die Fahrzeuge verfügen über einen elektrischen Antrieb und werden per Induktionsschiene „gelenkt“. Sie bewegen sich mit einer Geschwindigkeit von rund 30 Stundenkilometern und befördern die Waren entweder palettiert oder in angepassten Behältern durch die Röhren. Ein großer Vorteil ist auch, dass die Transportfahrzeuge kühlbar sind und so auch die Beförderung von Frisch- und Kühlwaren möglich ist.

„Obendrein“ ist an der Decke der Tunnels eine Hängebahn vorgesehen, mit der kleinere Güter mit 60 km/h in speziellen Boxen befördert werden können.

Smarte Rollenverteilung

Die Fahrspureinteilung im Untergrund ist simpel und effektiv: Je Fahrtrichtung gibt es eine Fahrspur. Zusätzlich gibt es eine zentrale Servicespur für Reparaturen, zum Ausweichen von blockierten Fahrzeugen oder auch zur Zwischenlagerung von Gütern und Fahrzeugen.

Die einzelnen Güter werden in den Tunneln gebündelt und stehen dann zur anschließenden Verteilung im Hub bereit. In den Hubs soll ein vollautomatisiertes Be- und Entladen der Lieferfahrzeuge ermöglicht werden. Zudem sollen die Hubs an bereits existierenden Logistikhotspots verbunden werden und bieten dadurch eine Anbindung an weitere Transportmöglichkeiten. So wird verhindert, dass jeder Anbieter seine Waren einzeln ausliefern muss. Stattdessen kann eine finale Belieferung der diversen Endabnehmer koordiniert stattfinden.

Zukunftsmodell?

Mit seiner innovativen und digitalen Technologie für eine neue Art des Gütertransports leistet CST einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der Smart Cities von morgen. In der Tat ist das Prinzip eines modernen und vollautomatischen Fördersystems mit unterirdischen Beförderungswegen eine Ansage an die Zukunft. Der Einsatz von selbstfahrenden, unbemannten Transportfahrzeugen, die an den dafür vorgesehenen Rampen oder Liften automatisch die gebündelten Warenladungen aufnehmen und abgeben, sind der Inbegriff von Effizienz – und das rund um die Uhr.

Doch nicht nur die Versorgung mit Gütern wird eine Aufgabe des Systems sein. Die Entsorgung von Abfall bzw. Recyclinggütern ist ebenfalls angedacht und wäre ohne weiteres umsetzbar.

20-40 % weniger LKWs

Cargo sous terrain ist ein wichtiger Schritt hin zu einem nachhaltigeren und umweltfreundlicheren Warentransport in der Schweiz. Das Schweizer Bundesamt für Straßen und das Schweizer Bundesamt für Raumentwicklung gehen davon aus, dass das Güterverkehrsaufkommen innerhalb der Schweiz bis 2040 um mehr als 35 % ansteigen wird. Dieses Wachstum könne nicht dauerhaft durch aktuelle Verkehrsinfrastrukturen getragen werden. Auch ein ungebremster Ausbau von klassischen Transportwegen stellt deshalb keine zukunftsorientierte Lösung dar – immerhin ist in dem Alpenland die Verfügbarkeit von freiem Platz enden wollend.

So rechnet die Betreibergesellschaft damit, dass im Vollausbau 40 % der LKWs auf der Straße einzusparen wären und im Rahmen der ersten Teilstrecke zwischen Härkingen-Niederbipp und Zürich eine Reduktion von 20 % erreicht werden könnte.

Cargo sous terrain hat innerhalb eines Life Cycle Assessments die Umweltauswirkungen des Gesamtlogistiksystems erforscht und so eine ausgiebige Gesamtbilanz erarbeiten können. Bei der Studie wurde ein besonderer Fokus auf mögliche Effekte auf die Luftqualität, die Lärmemissionen sowie das Ausmaß der Raumnutzung und die Gesundheitskosten gelegt. Das Ergebnis bestätigt die Annahme, dass Cargo sous terrain gegenüber den derzeitigen Transportsystemen klare Vorteile hat. In unterschiedlichen Referenzszenarien wurde sogar eine um bis zu 80% verbesserte Ökobilanz prognostiziert.

Weniger Emissionen und Lärm

Mit dem Umstieg auf einen unterirdischen Güterverkehr kann der Lieferverkehr demnach in den Städten um bis zu 30% und die Lärmemission um bis zu 50% reduziert werden. Zudem eignet sich das CST sowohl für die Versorgung als auch für die Entsorgung von Abfall oder zu recycelnden Waren. Ein besonderer Pluspunkt im Hinblick auf eine nachhaltige Konzipierung ist die Stromzufuhr. Denn der Strom für den Betrieb des CST soll zu 100% aus erneuerbaren Energien stammen. Nicht nur die Ökobilanz wird sich zweifellos freuen.