Alles unter Strom im Reich der Mitte?

Nach Angaben des chinesischen Automobilverbands lag man im vergangenen Jahr bei den exportierten Autos auf dem zweiten Platz – knapp hinter Deutschland. Expert:innen schätzen, dass der derzeitige Spitzenreiter Europa bis 2025 mehr Autos importieren als exportieren wird. In der Tat haben zwei der größten Autohersteller Chinas sogar ihre eigenen Schiffe gekauft, um Probleme in der Lieferkette zu vermeiden und sicherzustellen, dass ihre Autos von den Fabriken zu den globalen Märkten gelangen. BYD, das nur Elektro- und Hybridautos herstellt, bestellt im Oktober 2022 mindestens sechs Schiffe, von denen jedes 7.700 Autos transportieren kann. Die staatliche SAIC Motor Corporation betreibt über eine eigene Transporttochter bereits die fünftgrößte Schiffsflotte der Welt, um Fahrzeuge zu transportieren.

Während chinesische Produzenten immer mehr Elektrofahrzeuge in Europa verkaufen, verlagern sowohl europäische als auch amerikanische Hersteller ihre Elektrofahrzeugproduktion zunehmend nach China, um einen besseren Zugang zu Schlüsselkomponenten in der Endfertigung zu bekommen.

Die chinesische Autoindustrie nimmt Fahrt auf

In mehreren Märkten im Nahen Osten und in Lateinamerika sind chinesische Automarken bereits führend auf dem Markt. In den europäischen Verkaufs-Charts dominieren Tesla und ehemals europäische Marken, die sich in chinesischem Besitz befinden, wie Polestar (Volvo) und MG sowie europäische Modelle wie der Dacia Spring oder der BMW iX3. Beim BMW sei anzumerken, dass dieser ausschließlich in China produziert wird.
Chinesische Automarken wie BYD, NIO, AIWAYS, LYNK, um nur einige zu nennen, wagen sich mit bemerkenswert hohen Ambitionen zunehmend weiter auf den europäischen und US-amerikanischen Markt und wollen dort mit etablierten Autoherstellern konkurrieren. Allerdings sind chinesische Namen in Europa noch relativ unbekannt und die Hersteller haben noch viel Arbeit vor sich, um eine starke Marke aufzubauen. Zurückliegende Versuche chinesischer Marken, in den europäischen Markt einzusteigen, sind weitgehend gescheitert, aber diesmal könnte sich Chinas Know-How bei vollelektrischen Fahrzeugen als entscheidender Wettbewerbsvorteil erweisen.

Anderer strategischer Zugang bei Elektrofahrzeugen

In den USA und Europa konzentrieren sich viele Hersteller auf Premium-Elektromodelle und Segmente, in denen hohe Preise eher akzeptiert werden. Dadurch ist es in Vergangenheit weder US-amerikanischen noch europäischen Herstellern gelungen, die Preise für Elektroautos zu drücken. Demzufolge gelang es ihnen auch nicht, Käufer:innen mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu erreichen. Auch wenn chinesische Autohersteller in Europa und den USA (vorläufig) nicht besonders angesehen sind, bieten diese Umstände China nun die Chance, in diesem Bereich einen bedeutenden Marktanteil zu erobern. Studien belegen, dass es den chinesischen Autoproduzenten in den vergangenen Jahren gelungen ist, die Preise für Elektrofahrzeuge deutlich zu senken. In den USA und Europa hingegen sind sie gestiegen. Während in China die Kosten für ein Elektroauto im ersten Halbjahr 2022 durchschnittlich bei rund 32.000 Euro lagen, betrug der Preis in Europa rund 56.000 Euro – ein deutlicher Kostenvorteil, der westliche Hersteller unter Druck setzen dürfte.

Große Chance für Luftfracht

Hochwertige und sensible Teile wie Batterien, Computerchips, Sensoren oder andere elektronische Bauteile, die in der Automobilindustrie essenziell sind, werden oft per Luftfracht verschickt. Batterien sind für die Konstruktion von Elektrofahrzeugen essenziell, und obwohl sie nur dann per Luftfracht verschickt werden, wenn es wirklich notwendig ist, könnte ihre zunehmende Bedeutung die Nachfrage nach dringenden Batterielieferungen auf dem Luftweg erhöhen. Zudem gab es hier zuletzt maßgebliche Entwicklungen.

Batterien gelten aufgrund der leicht entzündlichen Chemikalien, die sie enthalten, seit jeher als gefährliches Transportgut. Während Brände prinzipiell gefährlich sind, können Brände mit Lithium-Ionen-Batterien besonders schwerwiegend sein. Das liegt daran, dass sie sich nicht so einfach löschen lassen und einen giftigen, brennbaren Dampf freisetzen, der das Feuer am Laufen hält und dabei gleichzeitig Umstehende verletzen kann. Wenn man sich dieses Risikopotential zu einem Lufttransport hinzudenkt, lässt sich verstehen, warum Batterietransporte in der Vergangenheit bei Frachtfluggesellschaften nicht besonders „beliebt“ waren.

Ein spezielles Zertifikat für Batterien

Diese Bedenken schienen sich jedoch kürzlich mit der Lithium-Batterie-Zertifizierung des Center of Excellence for Independent Validators (CEIV) der IATA zu ändern. Dies ist die jüngste CEIV-Zertifizierung der IATA und steht im Einklang mit vergleichbaren Zertifizierungen für den Umgang mit Arzneimitteln, verderblichen Waren und lebenden Tieren. Wie die anderen Zertifikate zielt es darauf ab, die Sicherheit bei der Handhabung und dem Transport spezieller Güter entlang der gesamten Lieferkette zu verbessern.

Lieferungen von Lithiumbatterien – entweder als separates Transportgut oder in fertigen Produkten verbaut – müssen etablierte, weltweit geltende Sicherheitsstandards für Herstellung, Tests, Verpackung, Kennzeichnung, Etikettierung und Dokumentation erfüllen. Diese Anforderungen sind der Schlüssel zu den IATA Lithium Battery Shipping Regulations (LBSR) und den IATA Dangerous Goods Regulations (DGR), die regulatorische Aspekte auf Grundlage von Empfehlungen von Branchenexperten und staatlichen Aufsichtsbehörden kombinieren.

Per Februar 2023 haben bislang nur zwei Fluggesellschaften eine entsprechende Zertifizierung erhalten, wobei LATAM Cargo die weltweit erste und Qatar Airways die zweite ist. Darüber hinaus ist Qatar Aviation Services das erste weltweit zertifizierte Bodenabfertigungsunternehmen.

Die Cargo-Sparte von Qatar Airways hat mittlerweile den vollständigen Austausch ihrer mehr als 10.000 ULD-Container durch ein neu entwickeltes Modell von Safran Cabins angekündigt. Diese ULD-Container sind so ausgelegt, dass sie einem Feuer auf Lithiumbasis bis zu sechs Stunden standhalten können.

Notfalltransporte von entscheidender Bedeutung

Generell sind Luftfrachtlösungen für die Automobilindustrie besonders dann wichtig, wenn Unternehmen neue Fahrzeuge auf den Markt bringen. Häufig werden nach der Markteinführung technische Adaptionen an Fahrzeugen vorgenommen, um anfangs auftretende Qualitätsprobleme zu beheben. In diesem Fall kann Luftfracht ein entscheidender Faktor sein, um bei möglichen Rückrufaktionen rechtzeitig Ersatzteile bereitzustellen. Zudem ist der mögliche Stillstand einer Produktionsfertigung in einem Montagewerk für das Unternehmen weitaus kostspieliger als ein dringender Notfalltransport – selbst wenn es sich bei den transportierten Gütern nur um wenige Kartons mit ganz speziellen Schrauben handelt…

Da China gegenwärtig seine Rolle auf dem globalen Automobilmarkt stärkt und einen „Spitzenplatz“ anstrebt, könnte dies zu neuen Entwicklungen in der Automobillieferkette führen. Das Land ist bereits zum zweitgrößten Exporteur von Fahrzeugteilen aufgestiegen, und die meisten chinesischen Autos werden direkt im Land produziert. Für die Luftfracht bedeutet dies ein großes Potenzial für Transporte zwischen global agierenden Herstellern, Zulieferern und Ersatzteilanbietern für die Produktion von (Elektro-)Fahrzeugen von und nach China.