Kontakt Flappe öffnen
Rolf Habben Jansen, CEO von Hapag Lloyd, im Gespräch

“...schwächere Nachfrage und die niedrigeren Frachtraten wirken sich stark aus”

Mit einer Flotte von 258 modernen Containerschiffen und einer Gesamttransportkapazität von 1,9 Millionen TEU ist Hapag-Lloyd eine der weltweit führenden Linienreedereien. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Hamburg gilt als fünftgrößter Containerfrachter weltweit. Wir haben die Gelegenheit genutzt und Rolf Habben Jansen zu einem Interview über die jüngsten Entwicklungen in der Seefracht, Akquisitionspläne und Eishockey einzuladen.

“Ich denke nicht, dass wir in absehbarer Zeit Schiffe mit weitaus mehr Kapazität sehen, die eine neue Schiffstypenbezeichnung erfordern.”

Rolf Habben Jansen sieht bei Schiffsgrößen ein Limit erreicht

“China ist eine Schlüsselgröße in der weltweiten Produktion und investiert stetig. Gleichzeitig hat das Thema „Near-Shoring“ aber immer mehr an Bedeutung gewonnen.”

...über China's Produktionskapazitäten und den Trend zum "Near-Shoring"

 

Im Zuge der COVID-19-Pandemie kam die Transportbranche in turbulente Fahrwasser: Verzögerungen im Ablauf, mehrfach überbuchte Schiffe, Probleme beim Rücklauf von Leercontainern und Behinderungen beim Warenumschlag in Häfen. Und dann auch noch die Havarie im Suez-Kanal. Kaum entspannt sich die Lage, kommt es im Rahmen des russischen Angriffs auf die Ukraine zu einer Eintrübung der Konjunktur. Wie bereitet man sich auf solche Krisen vor? Kann man für jedes Szenario einen Notfallplan in der Schublade haben?

Sich auf solche Krisen vorzubereiten ist nicht leicht, da sie sich unmittelbar und vielfältig auf unser Geschäft auswirken können. Daher ist es wichtig, dass wir potenzielle Engpässe und Schwachstellen permanent identifizieren – was in unserer volatilen Branche sehr schwierig sein kann. Pandemien oder Havarien in wichtigen Verkehrsadern sind nicht vorherzusehen, trotzdem versuchen wir unsere Prozesse so anzupassen, dass sie widerstandsfähiger gegenüber plötzlichen Störungen werden. 

Stichwort Corona: Trotz der Pandemie und der damit verbundenen Herausforderungen konnte die HLAG wirtschaftlich außerordentlich gute Zahlen erzielen. Wagen Sie bereits eine Prognose für 2023?

Die schwächere Nachfrage und die niedrigeren Frachtraten wirken sich stark auf unsere Erträge aus. Wir haben erst kürzlich unsere Halbjahresergebnisse veröffentlicht, die deutlich unter Vorjahresniveau liegen. Die Ergebnisprognose für das Gesamtjahr 2023 konnten wir allerdings bestätigen. Dabei sollte man jedoch immer die aktuellen Risikofaktoren im Blick behalten, die die Prognose negativ beeinflussen könnten – wie z.B. der Ukraine-Krieg, anhaltender Inflationsdruck und hohe Lagerbestände.

Haben Sie zuletzt einen Antieg der chinesischen Produktionskapazitäten bemerkt? Hat sich im Gegenzug womöglich eine Verlagerung der Produktion von Asien weg – Stichwort „Near-Shoring“ – ergeben?

China ist eine Schlüsselgröße in der weltweiten Produktion und investiert stetig. Gleichzeitig hat das Thema „Near-Shoring“ aber immer mehr an Bedeutung gewonnen. Unternehmen überdenken vermehrt ihre Produktionsstandorte und prüfen, ob sie ihre Fertigung näher an die Zielmärkte verlagern können – was Vorteile bringen kann, wie z.B. bessere Reaktionsfähigkeit auf Marktveränderungen und kürzere Lieferzeiten. Letztlich denke ich aber, dass China aufgrund seiner langen Industrieerfahrung und etablierten Lieferketten ein zentraler Akteur bleiben wird.  

1981 stellte die HLAG das seinerzeit größte Containerschiff der Welt, die „Frankfurt Express“, mit 3.045 TEU in Dienst. Die aktuelle „Frankfurt Express“ fasst ohne Weiteres mehr als das doppelte. Mittlerweile besitzt auch Ihr Unternehmen zahlreiche ULCV-Schiffe und ein „Flaggschiff“, das 24.000 TEU fasst. Wie sehen Sie diese Entwicklung und könnte man sich angesichts der Zahlen langsam Gedanken über eine neue Schiffstypenbezeichnung machen?

Auch wenn es infrastrukturelle Einschränkungen gibt, könnten Schiffe mit mehr Kapazität gebaut werden, ohne dass sie wesentlich größere Abmessungen haben müssten. Die betriebswirtschaftlichen Vorteile bzw. „Skaleneffekte“ nehmen mit zunehmender Größe jedoch ab. Vielleicht ermöglichen Platzoptimierungen, wie z.B. in den Laderäumen, Tanks und Maschinenräumen, nochmal die ein oder anderen zusätzlichen Containerstellplätze. Ich denke aber nicht, dass wir in absehbarer Zeit Schiffe mit weitaus mehr Kapazität sehen, die eine neue Schiffstypenbezeichnung erfordern.

Weltweit sind die Auftragsbücher der Werften voll und es laufen konstant neue Ozeanriesen vom Stapel. Scheint sich die Entwicklung der Überkapazitäten von vor 15 Jahren zu wiederholen, die schon damals zu viel „Bewegung“ auf dem Markt geführt hat?

Auf den ersten Blick erinnert die Situation an die Überkapazitäten vor etwa 15 Jahren. Damals führte der Anstieg der Schiffsbestellungen zu einem Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage. Allerdings sind Auftragsbücher heute nicht so stark gefüllt wie damals und die weltweite Flotte ist im Durchschnitt älter, was vermehrt Verschrottungen nach sich zieht. Es ist außerdem wichtig zu erwähnen, dass die heutigen Schiffsbestellungen auch auf moderne Entwicklungen wie nachhaltigere Schiffsdesigns und strengere Umweltauflagen (z.B. CII) zurückzuführen sind.

Bei unserem letzten Interview, 2019, erzählten Sie uns vom Launch von „Quick Quotes“. Wie hat sich das damals neuartige Tool bewährt? Welche Vorteile der zunehmenden Digitalisierung hat Hapag-Lloyd seitdem zusätzlich ergriffen und implementiert?

Wir sind sehr zufrieden. Seit der Einführung ist die über Quick Quotes gebuchte Ladung stark gewachsen. Heute entfällt ein beachtlicher Teil unseres gesamten Volumens auf Quick Quotes. Ende 2021 haben wir es nochmals verbessert und später ist mit „Quick Quotes Spot“ noch ein weiteres digitales Tool dazugekommen, womit Kunden in Echtzeit eine feste Rate erhalten und direkt buchen können. Neben vieler weiterer digitaler Produkte, die unseren Kunden die Abwicklung mit uns erleichtern, haben wir mit „Hapag-Lloyd LIVE“ große Fortschritte bei der Digitalisierung unserer Containerflotte gemacht. Heute sind über 500.000 unserer Standardcontainer und über 80 Prozent unserer Kühlcontainer mit modernen Trackern ausgestattet. Dadurch können unsere Kunden ihren Container orten und auch weitere Informationen erhalten, wie z.B. zur Temperatur oder Luftfeuchtigkeit innerhalb ihres Containers.

"Während "Big Player" umfangreiche Ressourcen und eine globale Reichweite haben, bietet die Zusammenarbeit mit einem mittelständischen Spediteur einen etwas persönlicheren und flexibleren Ansatz, was vor allem in unserer volatilen Branche vorteilhaft sein kann. In unserer dynamischen Industrie ist es wichtig, reaktionsschnell und effizient agieren zu können."

Habben Jansen über die erfolgreiche Zusammenarbeit beider Unternehmen

Die HLAG besitzt Anteile am Containerterminal Altenwerder in Hamburg, am Jade Weser Port in Wilhelmshaven, an Tanger Med am Mittelmeer sowie an einem Eurogate-Neubau im ägyptischen Damietta. Könnte der nächste „logische Schritt“ geographisch in Richtung Asien oder die Amerikas gehen?

Das haben wir bereits getan. Wir haben in die J M Baxi Ports & Logistics Limited investiert – einen führenden Terminal- und Inlandtransport-Dienstleister in Indien. Das wird uns noch besseren Zugang zu diesem strategisch wichtigen Wachstumsmarkt ermöglichen. Neben Containerterminals betreibt das Unternehmen auch Inland-Containerdepots und bietet schienengebundene Dienstleistungen. Und auch auf dem amerikanischen Kontinent sind wir aktiv: Erst kürzlich haben wir die Übernahme des Terminalgeschäfts von SM SAAM erfolgreich abgeschlossen. Das Geschäft umfasst zehn Terminals in Lateinamerika und den USA.

Im Rahmen der IMO2020 musste die internationale Schifffahrt auf verschärfte Umweltbestimmungen der International Maritime Organization reagieren. Zusätzlich fragen immer mehr Firmen aktiv nach „umweltfreundlichen“ Transportmöglichkeiten. Welche Bestrebungen hat die HLAG seitdem in diesem Zusammenhang unternommen? Hat sich das Pilotprojekt eines Großschiffs mit LNG-Antrieb bewährt und kann die Seefracht überhaupt jemals „richtig grün“ werden?

Wir haben damals als erste Reederei weltweit ein Schiff mit herkömmlichem Antrieb auf Flüssigerdgas (LNG) umgerüstet. Aus Nachhaltigkeitssicht war es ein sinnvoller Schritt. Wirtschaftlich ist es jedoch nicht. Solch eine komplexe Umrüstung ist schlichtweg zu teuer. 

Insgesamt ist Dekarbonisierung fest in unserer Strategie verankert. Bis zum Jahr 2045 wollen wir unsere Flotte klimaneutral betreiben. Um dies zu erreichen, setzen wir auf alternative Kraftstoffe, wie z.B. Biokraftstoffe. Davon können unsere Kunden schon jetzt mittels unserer Transportlösung „Ship Green“ profitieren. Außerdem haben wir 12 Großcontainerschiffe mit Dual-Fuel-Motoren bestellt, die mit LNG, langfristig aber auch mit alternativen synthetischen Kraftstoffen betrieben werden können. Mit LNG allein werden wir zwar unsere langfristigen Ziele nicht erreichen, es ist aber ein wichtiger Übergangskraftstoff, mit dem wir CO2-Emissionen um bis zu 25 % sowie die Schwefeldioxid- und Partikelemissionen um mehr als 90 % reduzieren können. Auch unsere bestehende Flotte werden wir noch effizienter und umweltfreundlicher umrüsten und in den nächsten Jahren erneuern wir rund 150 Schiffe.

Ich bin überzeugt, dass eine klimaneutrale Schifffahrt möglich ist. Allerdings brauchen wir dafür auch die richtigen Rahmenbedingungen, insbesondere was die Bereitstellung zukünftiger alternativer Kraftstoffe betrifft. Bevor diese für die Schifffahrt bereit sind, muss in Forschung und zusätzliche Infrastruktur investiert werden. 

cargo-partner ist bereits seit 40 Jahren in der Seefracht aktiv und erachtet Hapag Lloyd als „Core Carrier“, bei dem man die ganze Bandbreite an Dienstleistungen in Anspruch nimmt. Wie unterscheidet sich aus Ihrer Sicht die Zusammenarbeit mit einem mittelgroßen Freight Forwarder wie uns von den sogenannten „Big Playern“ der Branche?

Die Zusammenarbeit mit einem erfahrenen und etablierten Partner wie cargo-partner bringt gewisse Vorteile mit sich. Während "Big Player" umfangreiche Ressourcen und eine globale Reichweite haben, bietet die Zusammenarbeit mit einem mittelständischen Spediteur einen etwas persönlicheren und flexibleren Ansatz, was vor allem in unserer volatilen Branche vorteilhaft sein kann. In unserer dynamischen Industrie ist es wichtig, reaktionsschnell und effizient agieren zu können. Da ist solch ein Ansatz viel wert.

Im kommenden Jahr feiern Sie 10 Jahre CEO bei Hapag Lloyd – Was hat Sie in diesen zehn Jahren am meisten überrascht? Welche Ziele würden Sie sich für zehn weitere Jahren „auf der Brücke“ setzen?

Wie schnell die Zeit vergangen ist. Ansonsten hat mich am meisten beeindruckt, wie agil sich unser Team den ständigen Veränderungen unserer Branche angepasst hat, vor allem wenn ich an das Auf und Ab in den letzten drei Jahren denke. Was in zehn Jahren sein wird, ist schwierig zu sagen. Fakt ist, dass wir weiterwachsen wollen. Das bedeutet mehr globale Partnerschaften, mehr nachhaltige Lösungen und mehr innovative und digitale Angebote für unsere Kunden. 

Sie sind ein großer Eishockey-Fan und haben bei unserem letzten Gespräch vor fünf Jahren auf die Nashville Predators als Stanley Cup-Sieger getippt. (Gewonnen haben damals die Capitals.) Welchen NHL- Mannschaften trauen Sie diese Saison die Chance auf den Gewinn des Titels zu?

Die NHL ist voll von talentierten Teams, aber die New Jersey Devils sind ein starker Kandidat. Natürlich ist der Weg zum Stanley Cup immer unvorhersehbar, aber die konstanten Leistungen und das junge Team machen sie zu einem Titel-Anwärter.

Wenn wir schon beim Sport sind: Feyenoord, Excelsior oder Sparta?

Feyenoord.

Wir danken für das Gespräch.

Biographie Rolf Habben Jansen

 

Rolf Habben Jansen wurde am 27. August 1966 in Spijkenisse bei Rotterdam geboren.

Der Niederländer schloss 1991 sein Wirtschafts-Studium an der Erasmus-Universität in Rotterdam ab. Er begann seine Karriere im selben Jahr als Trainee bei der ehemaligen niederländischen Reederei Royal Nedlloyd und hatte dort sowie beim Schweizer Logistikunternehmen Danzas verschiedene Positionen inne, bevor Danzas mit DHL fusionierte, der Tochter der Deutschen Post AG. Von 2001 an verantwortete er für DHL die Kontraktlogistik für weite Teile von Europa, von 2006 an war er als Head of Global Customer Solutions verantwortlich für die 100 wichtigsten Kunden des Dienstleistungskonzerns. Von 2009 an leitete er als Chief Executive Officer fünf Jahre lang das weltweit tätige Logistikunternehmen Damco.

Rolf Habben Jansen ist seit Juli 2014 Vorsitzender des Vorstandes der Hapag-Lloyd AG. 

Er ist großer Eishockey-Fan und spricht neben seiner Muttersprache fließend Deutsch und Englisch.