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Wege zur grünen Schifffahrt

Segel setzen – Nachhaltigkeit im Schiffsverkehr

Die Kraft des Windes nutzt die Menschheit seit ihren Anfängen auf hoher See. Als Antriebshilfe für Transportschiffe wurde der Wind im Rahmen einiger vielversprechender Projekte bereits vor Jahren in Betracht gezogen.  Wir blicken auf zwei aktuelle Projekte: bei „WISAMO“ wird ein neuartiges Segel als Unterstützung zum gängigen Antrieb genutzt während „CargoKite“ rein auf Windantrieb und einen speziellen Schiffstypen setzt. Kostenersparnis und vor allem eine Reduktion der Luftverschmutzung sorgen bei beiden Konzepten für den nötigen Rückenwind.

Es ist kein Geheimnis, dass Containerschiffe nicht gerade zu den umweltfreundlichsten Transportmitteln gehören. Grüne Alternativen müssen rasch her und eine Umstellung des Antriebs abseits von verflüssigtem Erdgas („ LNG“) und „weniger umweltschädlicher“ Treibstoffe scheint eine Lösung zu sein. Der international bekannte Reifenproduzent Michelin entwickelt im Rahmen seiner „All Sustainable“-Strategie einen Segel-Prototypen, der Frachtschiffe antreibt. CargoKite, ein bayerischer Newcomer, will wiederum seine Idee des Drachensegels und autonomer Containerschiffe verwirklichen. Beide Unternehmen versuchen mit Segeln den Seegüterverkehr zu revolutionieren.

Das Sorgenkind Nachhaltigkeit

Der Kampf gegen die Klimakatastrophe hat hohe Priorität und auch der Transport auf den Meeren wird mit cleveren Lösungen beitragen müssen. Insgesamt stößt die globale Seefahrt im Jahr mehr CO2 aus, als ganz Deutschland - und das bei immer strenger werdenden internationalen Gesetzen und Richtlinien zur Senkung der Emissionen. Ein weiteres Problem besteht darin, dass Frachtschiffe in den letzten Jahren immer größer wurden und zahlreiche Häfen stetig expandieren mussten. Das wiederum schränkt jedoch die Flexibilität auf See stark ein. Man möge es nicht vermuten, aber Staus zählen auch auf Wasserstraßen zur Normalität. Aber auch vor Häfen kam es zuletzt immer wieder zu regelrechten Warteschlangen“. Deshalb ist es umso wichtiger Alternativen zu finden, die nicht nur wirtschaftlich effizient sind, sondern auch für die Umwelt einen Vorteil haben.

Ein Segelsystem für Frachter

In der Schifffahrtsindustrie galt die Entwicklung von CO2-armen sowie kostengünstigen Alternativen bisher als äußert kompliziert. Seit geraumer Zeit jedoch versuchen Unternehmen eine Lösung zu finden. Unter anderem möchte man sich die Kraft des Windes zu Nutzen machen. Dabei ist die Idee Frachtschiffe durch Segel fortzubewegen nicht gänzlich neu, wie viele Projekte in der Vergangenheit zeigten. Externe Einflüsse wie Finanzierungsprobleme, ansteigende Preise oder Lieferengpässe ließen bisherige Initiativen wiederholt fehlschlagen. Jetzt haben zwei Unternehmen mit unterschiedlichen Herangehensweisen das Prinzip von durch Windkraft gesteuerten Schiffen wiederaufgenommen. Das französische Unternehmen Michelin setzt dabei auf ein aufblasbares Segel, das Münchner Start-Up CargoKite auf autonome Containerschiffe mit Drachensegel. Beides soll zur Dekarbonisierung des Transports auf hoher See führen.

Aufrüsten von Bestandsfrachtern

Michelin setzt mit seiner Entwicklung des Flügelsegels WISAMO („Wing Sail Mobility“) neue Maßstäbe für einen grüneren Verkehr. Das Projekt, in enger Zusammenarbeit von Michelin und zwei Schweizer Entwicklern entstanden, wurde 2021 erstmals präsentiert. Anfang des Jahres 2022 hat das Unternehmen mit der französischen Reederei Compagnie Maritime Nantaise einen Vertrag abgeschlossen und die gemeinsame Zusammenarbeit besiegelt. Dieser ermöglicht in der zweiten Jahreshälfte 2022 die erste Testphase des Flügelsegels auf einem der RoRo-Schiffe („Roll on, Roll of“) der Reederei. Dabei wurde ein 100 m² WISAMO-Prototyp auf dem Schiff MN Pélican installiert und unter Realbedingungen auf der üblichen Route des Frachters getestet. Die MN Pélican verkehrt zwei Mal die Woche zwischen Poole, Großbritannien, und Bilbao, Spanien.

Das Flügelsegel von Michelin zeichnet sich durch seine multifunktionale Einsetzbarkeit auf unterschiedlichen Seerouten aus und kann auf Tank- und Containerschiffen sowie Gastankern genutzt werden. Das Aus- und Einfahren des Segels verläuft vollautomatisch. Ein besonderer Vorteil liegt darin, dass das Segel sowohl direkt bei der Konstruktion des Schiffes als auch auf bereits in Betrieb genommen Frachtern installiert werden kann. So könnte der Schiffsverkehr sukzessive transformiert werden – selbstverständlich aber nur als umweltfreundlicher Zusatzantrieb, neben dem konventionellen Antrieb. Ersten Berechnungen zufolge sinkt der Dieselverbrauch dadurch um bis zu zwanzig Prozent. Es wäre de-facto ein Hybrid-Konzept für die „Riesen der Meere“.

Kleinere Transportschiffe mit effizienter Nutzung

Das deutsche Start-Up CargoKite setzt ebenfalls auf emissionsfreie Segeltechnologie – legt aber mit seinem Konzept darüber hinaus auch auf autonome Containerschiffe. Das Ziel ist der Bau des Segelschiffes des 21. Jahrhunderts: Vollständige Schiffsautonomie verspricht maximale Effizienz, eine optimale Steuerung auf See und bis zu 75% geringere Personalkosten. Anstelle von Schweröl dienen spezielle Drachensegel als Antriebsmittel.

Ganz bewusst setzt man auf den Bau vergleichsweise kleiner Frachter, die sich auf die Ladung von lediglich 16 TEU beschränken. Zwar haben sie bei Weitem nicht die gleiche Ladekapazität wie kommerzielle Frachtschiffe, zeichnen sich aber durch Flexibilität aus indem sie die Rolle von Feedern ausfüllen: mehrere wöchentliche Fahrten auf vergleichsweise schwächer benötigten Routen. Angenehmer Nebeneffekt: die Widerstandsfähigkeit der Lieferketten könnte so umweltgerecht garantiert werden. Der reine Antrieb durch Windkraft vergrößert auch das Schiffsladevolumen. Ein weiterer Vorteil wäre, dass auf einen großen Energiespeicher oder Öltank verzichtet werden kann. Zudem verfügen diese „Containersegler“ über optimierte Technologien, eine eigens entwickelte Steuerungssoftware und einen hohen Digitalisierungsgrad. Im Rahmen zunehmend hochtechnologisierter Supply Chains und Hafeninfrastruktur garantiert ein „Plus“.

Das Segel selbst wird bei CargoKite nicht entwickelt, sondern soll von bestehenden Anbietern geleast werden. Dadurch werden Entwicklungs- und spätere Anschaffungskosten niedrig gehalten. Punkten möchte das Unternehmen zusätzlich mit seinen geringen Anschaffungskosten, die derzeit auf 600.000 bis 1 Million Euro pro Schiff geschätzt werden, wobei die Kosten bei steigenden Produktionsmengen sinken sollen.

Zwei Ansätze – ein Ziel

Beide Projekte befinden sich derzeit mit ihren Prototypen noch in der Testphase. Segel, Software und Einsatzfähigkeit werden sowohl an kleinen Sportschiffen als auch an Containerschiffen geprüft. In einem sind sich die Unternehmen einig: Verlaufen die Tests erfolgreich, haben sie der breiteren Umsetzung im Sinne des nachhaltigen Seeverkehrs den Weg geebnet. Wind als Antrieb zu nutzen und somit von unbegrenzter und kostenloser Energie zu profitieren – das entspricht dem grünen Gedanken und wird von der Menschheit ohnehin bereits seit tausenden Jahren genutzt.

Wie erwähnt, verspricht Michelin, dass durch den Einsatz des aufblasbaren Flugsegels von einer Treibstoffreduktion der Frachter von bis zu 20 Prozent ausgegangen werden kann. Das wäre ein deutlicher Fortschritt. Zudem bietet die nachträgliche Anpassung an vorhandenen Schiffen den Vorteil, dass im besten Fall weniger neue Schiffe gebaut werden müssten.
CargoKite legt seinen Fokus auf den Transport auf weniger frequentierten Strecken. Da es bei seinen Schiffen komplett auf Energie durch Windkraft setzen wird, bietet das Start-Up die optimale nachhaltige Ergänzung zu den gigantischen Ozeanriesen mit über 20.000 TEU Fassungsvermögen.

Ob das Flugsegel von Michelin oder die autonomen 16 TEU-Container-Schiffe mit Drachensegel in Zukunft Bestandteil oder gar Norm des maritimen Warentransports werden, bleibt zu beobachten. Eins ist aber sicher: Windkraft als Antriebsmotor zu nutzen, stellt eine wünschenswerte nachhaltige Alternative dar. Auf jeden Fall können wir diesem Antriebsansatz mit reinem Gewissen die Daumen drücken und ein „steife Brise“ wünschen. Der Anblick der Weltmeere würde sich auf jeden Fall verändern.