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Ein Gespräch Dr. Günther Ofner, Vorstandsdirektor des Flughafen Wien

“… Videokonferenzen ersetzen keine Warenlieferungen.”

Den Wiener Flughafen und cargo-partner verbindet seit 1983 eine enge Partnerschaft. Die unmittelbare räumliche Nähe zueinander sowie die starke Position des Flughafens als regionale Drehscheibe, lässt cargo-partner auch während der aktuellen Krisenzeiten die Geschäftstätigkeit erfolgreich aufrechterhalten.Wir haben diese fruchtbare Zusammenarbeit zum Anlass genommen und Dr. Günther Ofner dazu eingeladen, mit uns über die aktuellen Entwicklungen in der Luftfracht und die Zukunftspläne des Wiener Flughafens zu sprechen.

"Reisen wird jedenfalls immer ein Grundbedürfnis der Menschen bleiben und Videokonferenzen ersetzen keine Warenlieferungen. Deshalb wird die Luftfahrt mittel- bis langfristig wieder zulegen."

Günther Ofner rechnet über einen längeren Zeitraum mit einer positive Entwicklung.

Mit dem völligen Zusammenbruch der Passagierzahlen kam es zu einer umfangreichen Reduktion des Luftfrachtumschlags. Zeitgleich suchen Freight Forwarder händeringend nach freien Transportkapazitäten. Denken Sie, dass sich die Frachtkapazitäten wieder etwas erholen könnten? Wie stellen Sie den reibungslosen Ablauf des Luftfrachtgeschäft sin VIE sicher und wie unterstützt der Flughafen das „Cargo Business“ in dieser Krisensituation?

Günther Ofner: Der Flughafen Wien ist durchgehend in Betrieb, um vor allem Cargoflüge, Passagierrückholungsflüge und den derzeit sehr geringen Linienflugbetrieb weiterhin zu ermöglichen. Unser Frachtabfertigungsteam und die Airport-Infrastruktur stehen für Frachtumschlag also durchgehend zur Verfügung. Aufgrund des Wegfalls der Linienflugmaschinen, die ja auch Fracht transportieren, verzeichnen wir derzeit Rückgänge im Frachtaufkommen. Wir gehen aber davon aus, dass es mittelfristig wieder zu einer Erholung kommen wird.

 Zuletzt vermeldeten mehrere PAX-Carrier, dass sie bestimmte Routen als „Freight only“ wieder ins Flugprogramm nehmen möchten – unter anderem auch die Lufthansa inklusive Austrian. Wie werten Sie diese Bestrebungen? Wären im Handling Umstellungen nötig oder könnte VIE solche „Sonderflüge“ unkompliziert abwickeln?

Austrian Airlines führen derzeit immer wieder Frachtflüge mit Passagiermaschinen durch. Damit werden dringend benötige medizinische Ausrüstungen aus Asien nach Wien transportiert, diese Flüge sind also in der derzeitigen Situation sehr wichtig. Die Entladung dieser Flugzeuge erfolgt durch unsere Abfertigungsmannschaft unter Einhaltung der größtmöglichen Sicherheitsbedingungen. Alle Beschäftigten tragen Schutzmasken mit Augenschutz und Handschuhe.

Erst vor kurzem wurden sehr gute Geschäftszahlen vermeldet - 2019 stieg der Umsatz der Flughafen-Wien-Gruppe um 7,2 Prozent auf 857,6 Millionen Euro und auch für 2020 war man zuversichtlich. Nun dreht alles ins Minus und manche Analysten sehen eine nachhaltige Rezession aufkommen. Womit rechnen Sie persönlich: wird die Weltkonjunktur abstürzen oder kommt es „in Form eines V’s“ zu einer Art Comeback des globalen Warenverkehrs?

COVID-19 betrifft alle Kontinente und damit die gesamte Weltwirtschaft. Unterschiedlich sind zum Teil die zeitlichen Verläufe: In manchen Staaten flacht die Infektionskurve bereits ab, während in anderen Ländern der Höhepunkt der Krise erst bevorsteht. Deshalb wird sich auch die internationale Wirtschaft davon erst langsam erholen.
Die Flughafen Wien AG ist jedenfalls gut aufgestellt, wir sind finanziell in der Lage, die Situation durchzustehen.

Im Mai 2020 hätte der Office Park 4 eröffnet werden sollen. Zudem war es das Ziel, im Laufe des Jahres 25.000 Personen in Wien-Schwechat zu beschäftigen. Wie bewerten Sie diese Ziele im Angesicht der aktuellen Lage? Halten Sie aus jetziger Sicht weiter am Ausbau der 3. Piste fest?

Der Office Park 4 ist bereits heute schon zu weiten Teilen vermietet und wird daher auf jeden Fall bald in Betrieb gehen. Die Airport City bietet mit ihrer Nähe zu Autobahn und Flughafen unmittelbaren Zugang zu den wichtigsten Verkehrsträgern der Wirtschaft und wird daher weiter als Immobilienstandort und Betriebsstandort für Unternehmen attraktiv bleiben. Die dritte Piste ist von der aktuellen Situation nicht betroffen, weil sie ohnehin nicht vor 2030 kommen könnte.
Reisen wird jedenfalls immer ein Grundbedürfnis der Menschen bleiben und Videokonferenzen ersetzen keine Warenlieferungen. Deshalb wird die Luftfahrt mittel- bis langfristig wieder zulegen.

"Historisch gesehen waren Wien und Ostösterreich immer ein Brückenkopf zwischen Ost und West. Der Flughafen Wien hat daraus ein leistungsfähiges Luftverkehrs-Gateway geformt."

Günther Ofner unterstreicht die bedeutende Rolle des Flughafens VIE.

China vermeldet Schritt für Schritt ein hochfahren seiner Produktionskapazitäten. Vorausgesetzt das Virus macht der Produktion von Gütern nicht erneut einen Strich durch die Rechnung, sehen Sie Europa – und hier natürlich auch den Flughafen Wien – für einen „Transport-Backlash“ gewappnet?

Der Flughafen Wien kann das System jederzeit hochfahren. Unser Team und die Prozesse sind vorbereitet. Ich gehe davon aus, dass die großen Luftverkehrsstandorte in Europa hier ähnlich vorbereitet sind.

Der Flughafen Wien und cargo-partner sind durch eine enge und langjährige Partnerschaft und unmittelbare Nachbarschaft verbunden. Wie sehen Sie die Kooperation zwischen den beiden Unternehmen – und wie unterscheidet sich die Arbeit mit einem mittelgroßen Logistikanbieter wie uns von der Arbeit mit den „Riesen“ der Branche?

Die Partnerschaft zwischen cargo-partner und Flughafen Wien ist ausgezeichnet. cargo-partner hat als eines der ersten Unternehmen auf einen Standort in der Airport Region gesetzt und ist für uns ein Erfolgsbeispiel. Mit der Entscheidung, sich in direkter Nachbarschaft zu einem Großkunden und zum Flughafen anzusiedeln, hat cargo-partner Weitblick bewiesen.

Als österreichisches Unternehmen betrachtet cargo-partner Wien Schwechat als eine der wichtigsten Drehscheiben für seine Geschäftstätigkeit in der CEE-Region. Außerdem hat das Unternehmen mit dem iLogistics Center seine Lagerkapazitäten neben dem Wiener Flughafen unlängst ausgeweitet und unterstreicht dadurch weiter die Wichtigkeit des Standortes für das weltweite Netzwerk des Konzerns. Und cargo-partner ist nicht das einzige Unternehmen, das diesen Ansatz verfolgt. Wie erklären Sie sich, dass VIE als Drehscheibe im Herzen Europas so eine zentrale Rolle in der Transport- und Logistikbranche spielt?

Historisch gesehen waren Wien und Ostösterreich immer ein Brückenkopf zwischen Ost und West. Der Flughafen Wien hat daraus ein leistungsfähiges Luftverkehrs-Gateway geformt, mit kurzen Umschlagszeiten, flexiblen und kundenorientierten Lösungen und einer direkten Anbindung an die Autobahn, die in die nahegelegenen Nachbarländer Österreichs führt. Diese Rolle bauen wir laufend weiter aus. So bieten wir eine durchgängige Lösung für den Warenumschlag temperatursensibler Produkte ohne Unterbrechung der Kühlkette.

Wir danken für das Gespräch.