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Ein Gespräch mit Rolf Habben Jansen, CEO der Hapag-Lloyd AG

„Unsere Industrie ist und bleibt eine extrem volatile Industrie“

Die traditionsreiche Hapag-Lloyd AG ist ein Transport- und Logistikunternehmen mit Unternehmenssitz in Hamburg und gilt als fünftgrößter Container-Carrier weltweit. Wir haben die Meldung der neuen Quartalszahlen zum Anlass genommen und Rolf Habben Jansen dazu eingeladen, mit uns über die neuesten Entwicklungen in der Seefracht, Übernahmepläne und Eishockey zu sprechen.

 

„Wir glauben nicht, dass noch größere Schiffe wirtschaftlich sinnvoll sind. Wir sehen keinen Bedarf für Neubestellungen.“

Rolf Habben Jansen sieht bei Schiffsgrößen die Grenze erreicht.

„Ich möchte die Konkurrenz keineswegs bagatellisieren – aber hier reden wir von David & Goliath.“

... über Chinas Schienen-Ambitionen auf der „New Silk Road“.

 

Interviewer: Europas führenden Häfen stehen infrastrukturelle Veränderungen bevor. Ein Grund dafür sind die stetig wachsenden Schiffsgrößen - Wie sehen Sie als Reeder die weitere Entwicklung der Schiffsgrößen?

Rolf Habben Jansen: Wir glauben nicht, dass noch größere Schiffe wirtschaftlich sinnvoll sind. Die entsprechenden Stückkostenvorteile nehmen mit zunehmender Größe des Schiffes deutlich ab.

Mit der Übernahme der UASC besitzt die Hapag Lloyd einen Containerschiffstyp mit einer Kapazität von rund 20.000 TEUs. Wie hat sich diese Schiffsgröße bewährt?

Unsere sechs 20.000 TEU Schiffe bewähren sich im Fernost-Europa Verkehr hervorragend und wir sind mit deren Performance sehr zufrieden. Durch den Zusammenschluss mit UASC haben wir seit 2017 Zugriff auf insgesamt 17 Großschiffe mit 15.000 und mehr TEU. Kurzfristig sehen wir keinen Bedarf für Neubestellungen von solchen Ultra Large Container Vesseln.

Die Schifffahrt muss seit einiger Zeit mit einer herausfordernden Marksituation umgehen. Denken Sie, dass diese Phase von Fusionen und Allianzen demnächst abgeschlossen ist, oder wird es in nächster Zeit weitere Übernahmen/Fusionen geben?

Wir glauben nicht, dass es in absehbarer Zeit zu Fusionen unter den großen Playern unserer Industrie kommen wird. Womöglich würden solche Zusammenschlüsse auch nicht das Plazet der weltweiten Wettbewerbsbehörden bekommen – oder wären mit erheblichen Restriktionen verbunden.

Die HLAG war auf diesem Feld in den letzten Jahren auch nicht inaktiv – ist aus heutiger Sicht die Integration von CSAV und UASC abgeschlossen?

Ja, die Integrationen sind abgeschlossen und wir haben auch die erwarteten Synergien erzielen können.

Die Digitalisierung bietet ungeahnte Chancen und durchdringt immer mehr Geschäftsbereiche, so auch in der Transportbranche. Wie beurteilen Sie diese Entwicklungen und welche Strategie verfolgt Hapag Lloyd auf diesem Feld? Sehen Sie Ihr Unternehmen in der Implementierung digitaler Technologien „auf Kurs“?

Natürlich spielt die Digitalisierung auch in unserer Industrie eine entscheidende Rolle. Andere Industrien sind deutlich weiter als wir. Wir selbst sind auf einem sehr guten Weg und arbeiten intensiv an verschiedenen Digitalisierungsprojekten. So haben wir vor kurzem „Quick Quotes“ implementiert. Mit dem neuen Tool können Kunden aus aller Welt ihren Angebotsprozess für Containertransporte deutlich vereinfachen und beschleunigen. Sie erhalten Online-Angebote für Containersendungen innerhalb von Sekunden - und dabei auch Transparenz über die detaillierte Preisgestaltung. Durch das neue Tool wird der Angebotsprozess für weltweite Containersendungen rund um die Uhr schneller, einfacher und komfortabler.

Die Weltkonjunktur hat angezogen, aber manche Stimmen sagen, dieser Aufschwung steht insgeheim auf tönernen Füßen. Sehen Sie wieder die Gefahr einer erneuten Krise und wären Sie diesmal im Vergleich zu 2008 anders auf Überkapazitäten und Geschäftswegfall eingestellt, um mögliche negative Folgen aufzufangen?

Unsere Industrie ist und bleibt eine extrem volatile Industrie. Derzeit haben wir keine Indikationen für eine weltweite Wirtschaftskrise. Wir sehen allenfalls potentielle Einschränkungen durch regionale bzw. multilaterale Handelsschranken oder durch weiter steigende Bunkerpreise. Wir halten uns für gut gerüstet, um auf solche Herausforderungen jederzeit flexibel reagieren zu können.

„Fehler dürfen passieren - das Wichtigste aber ist, daraus zu lernen. Nur, wer keine Entscheidungen trifft, macht keine Fehler.“

Habben Jansen fordert von seinen Mitarbeitern unternehmerisches Denken und Entscheidungsfreude.

„Wenn Hamburg im Wettbewerb der europäischen Häfen weiter eine führende Rolle spielen will, dann gibt es dazu keine Alternative.“

Die Elbvertiefung ist aus seiner Sicht von immenser Bedeutung.

Als Exportnation investiert China im Rahmen der „New Silk Road“ massiv in den Ausbau zahlreicher Transportachsen und Absatzmöglichkeiten. Vor allem mit dem Ausbau der transasiatischen Zugstrecken möchte China eine Alternative zum Containerschiff anbieten. Wie sehen Sie dieser Herausforderung entgegen?

Diese Zugverbindungen bieten einigen Kunden interessante Alternativen, weil sich die Transportzeiten von China nach Europa auf rund 15 Tage reduzieren. Vergessen Sie aber bitte nicht, dass die Kosten pro Container rund 50 % höher sind als beim Seetransport – und dass ein solcher Güterzug nur rund 40 Container transportieren kann. Wir transportieren auf unseren Großschiffen rund 20.000 Container. Ich möchte die Konkurrenz auf der Schiene keineswegs bagatellisieren – aber hier reden wir doch von David einerseits und Goliath andererseits.  

Die HLAG besitzt ca. 25 Prozent am HHLA Container Terminal Altenwerder (CTA). Wie wichtig ist für so ein alteingesessenes, traditionelles Hamburger Unternehmen die seit Jahren umstrittene Elbvertiefung?

Sie ist sehr wichtig – als Vertiefung, aber auch als Verbreiterung. Wenn Hamburg im Wettbewerb der europäischen Häfen weiter eine führende Rolle spielen will, dann gibt es dazu keine Alternative. Gottlob sind alle juristischen Hürden jetzt genommen und die entsprechenden Maßnahmen beginnen in Kürze.

Die internationale Schifffahrt muss sich ab 1. Januar 2020 aufgrund verschärfter Umweltbestimmungen der International Maritime Organization umstellen und den Schwefelgehalt des Treibstoffs reduzieren. Wie ist Hapag Lloyd in puncto dieser Umweltmaßnahme aufgestellt und ist die dauerhafte Alternative mit LNG (Liquified Natural Gas) ein Thema für Sie?

Hapag-Lloyd begrüßt die IMO2020-Emissionsvorschrift. Sie ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg, die Emissionen der weltweiten Schifffahrt zu reduzieren und somit Gutes für die Umwelt und für die Gesundheit der Menschen zu tun. Gleichwohl erwarten wir für Hapag-Lloyd in den ersten Jahren Mehrkosten von rund 1 Milliarde US-Dollar. Diese Kosten werden wir nicht alleine tragen können und an die Kunden weitergeben müssen. Wir starten 2019 ein Pilotprojekt und werden eines unserer Großschiffe auf LNG-Betrieb umrüsten. Abhängig von den Ergebnissen dieses Projektes werden wir dann über weitere Umrüstungen diskutieren.

cargo-partner erachtet Hapag Lloyd als „Core Carrier“, bei dem man die ganze Bandbreite an Dienstleistungen in Anspruch nimmt. Wie unterscheidet sich eigentlich die Zusammenarbeit von Hapag Lloyd mit einem mittelgroßen Freight Forwarder wie uns und den sogenannten „Big Playern“ der Branche?

Kunde ist Kunde. Ob klein oder groß. Natürlich ist die Betreuung eines multinationalen Kunden mit über 100.000 TEU pro Jahr deutlich komplexer und aufwändiger als der eines Mittelständlers. Sie sollten in der Kundenbetreuung und in der Dienstleistungsqualität aber insgesamt keinen Unterschied merken.   

Sie sind ein großer Eishockey-Fan und interessieren sich für Fußball. Welchen NHL- Mannschaften trauen Sie diese Saison die Chance auf den Gewinn des Stanley Cups zu? Zuletzt trafen auch der HSV und der FC St. Pauli nach langer Zeit wieder zu einem Lokalderby aufeinander und trennten sich 0:0 – welchem Verein werden Sie im Rückspiel, als Neo-Hamburger, die Daumen drücken?

Ich setze auf die Nashville Predators, denn ich glaube, sie haben eine echte Chance. Beim Fußball bin ich erklärter HSV-Fan. Insofern sind meine Sympathien eindeutig verteilt. Ich wünsche aber beiden Mannschaften den Aufstieg in die Erste Bundesliga.

Zum Abschluss: In einem aktuellen Interview, in dem es auch um Sport ging, erwähnten Sie: „Jeder Mensch darf Fehler machen, aber mich ärgert es, wenn Spieler immer wieder die gleichen Fehler machen“. Welchen Fehler würde Hapag Lloyd unter Ihrem Kommando auf keinen Fall wiederholen?

Über Fehler aus der Vergangenheit zu diskutieren finde ich müßig – das ist Schnee von gestern. Ich möchte grundsätzlich unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu ermuntern, unternehmerischer zu denken und beherzte Entscheidungen zu treffen. Fehler dürfen passieren – das Wichtigste aber ist, daraus zu lernen. Nur, wer keine Entscheidungen trifft, macht keine Fehler.

Wir danken für das Gespräch und wünschen Ihnen viel Erfolg bei Ihren kommenden Projekten.

Biographie Rolf Habben Jansen

 

Rolf Habben Jansen wurde am 27. August 1966 in Spijkenisse bei Rotterdam geboren.

Der Niederländer schloss 1991 sein Wirtschafts-Studium an der Erasmus-Universität in Rotterdam ab. Er begann seine Karriere im selben Jahr als Trainee bei der ehemaligen niederländischen Reederei Royal Nedlloyd und hatte dort sowie beim Schweizer Logistikunternehmen Danzas verschiedene Positionen inne, bevor Danzas mit DHL fusionierte, der Tochter der Deutschen Post AG. Von 2001 an verantwortete er für DHL die Kontraktlogistik für weite Teile von Europa, von 2006 an war er als Head of Global Customer Solutions verantwortlich für die 100 wichtigsten Kunden des Dienstleistungskonzerns. Von 2009 an leitete er als Chief Executive Officer fünf Jahre lang das weltweit tätige Logistikunternehmen Damco.

Rolf Habben Jansen ist seit Juli 2014 Vorsitzender des Vorstandes der Hapag-Lloyd AG. 

Er ist großer Eishockey-Fan und spricht neben seiner Muttersprache fließend Deutsch und Englisch.