Kontakt Flappe öffnen
Eine Jahrhunderte alte Tradition findet ihren Weg aufs Smartphone

Hóngbāo – von Dämonen und roten Kuverts

In chinesischen, aber auch vielen anderen ost- und südostasiatischen Gesellschaften gilt ein rotes Kuvert als beliebtes Geldgeschenk, das während des chinesischen Neujahrs oder bei besonderen Anlässen wie Hochzeiten, Schulabschlüssen oder der Geburt eines Kindes übergeben wird. Im Chinesischen als Hóngbāo bezeichnet, gilt diese Tradition als ein alter, allseits beliebter Brauch, der mittlerweile sogar seinen Weg in das digitale Zeitalter gefunden hat.

Auch außerhalb Chinas sehr beliebt

Mit dem am 10. Februar 2024 beginnenden chinesischen Neujahr – dem Jahr des Drachen – wird das Reich der Mitte nicht nur wieder nahe an den Rand des Ausnahmezustands gebracht, sondern es werden auch Millionen roter Geldkuverts als Ausdruck der Wertschätzung in Umlauf gebracht. Doch nicht nur in China gelten die roten Kuverts als erfreuliches Geschenk. Auch außerhalb des Landes werden ähnliche Gepflogenheiten, durchaus unabhängig von den lokalen chinesischen Minderheiten, begangen. Vor allem in südostasiatischen Ländern wie Vietnam, Thailand, Malaysia, Burma und Kambodscha ist die Praxis des Geldgeschenks, verpackt in einen roten Briefumschlag, weit verbreitet. Selbst in Korea und Japan verschenkt man zu Neujahr Kuverts, wenngleich man hierbei seine eigenen Traditionen hat: bei Seollal, dem koreanischen Neujahrsfest, kommen weiße Kuverts zum Einsatz, während beim japanischen Shōgatsu bunt verzierte Umschläge verschenkt werden.

Der Ursprung ist unklar, aber legendenumrankt

Über den Ursprung von Hóngbāo gibt es zwei sagenumwobene Erzählungen. Nach einer Legende aus der Zeit der Song-Dynastie (960-1279 n. Chr.) wurde einst ein chinesisches Dorf von einem Dämon terrorisiert, den kein heldenhafter Krieger besiegen konnte. Jahre vergingen und die Einwohner litten weiter unter dem Dämon. Lediglich ein junges Waisenkind, das mit einem von seinen Vorfahren geerbten magischen Schwert bewaffnet war, meldete sich freiwillig, um den Dämon zu stellen, und besiegte ihn schließlich. Der Legende nach belohnten die Dorfältesten den jungen Helden mit einem roten Umschlag, welcher mit Münzen gefüllt war, um ihm für seinen Mut und seine Tapferkeit zu danken.

 

Ein Dämon, der Kopfschmerzen auslöst

Eine noch viel ältere Erzählung stammt hingegen aus der Qin-Dynastie (221 bis 206 v. Chr.). In dieser Geschichte geht es um einen kleinen Dämon namens "Sui',' der immer zu Neujahr erscheint und den Kopf schlafender Kinder berührt. Die betroffenen Kinder bekommen daraufhin Angst, Kopfschmerzen und weinen. Aus diesem Grund wagten es die Menschen in der Vergangenheit auch nicht, an den Neujahrsabenden schlafen zu gehen. Laut der Erzählung hatte ein älteres Ehepaar Angst um ihren jüngsten Sohn und holte deshalb in dieser Nacht acht Stück Kupfermünzen hervor. Ihrer Überlegung nach sollte ihr Sohn damit spielen und dadurch wach bleiben. Trotz allem wurde das Kind sehr müde und sie ließen ihn schlussendlich doch schlafen. Zuvor nahmen sie aber eine rote Papiertüte, packten die Kupfermünzen hinein und legten sie unter das Kissen des Kindes. Plötzlich wurden die Türen und Fenster von einem seltsamen Wind aufgerissen und das Kerzenlicht erlosch. Es stellte sich heraus, dass es Sui war. Als der boshafte Dämon den Kopf des Kindes berühren wollte, wurde das Kissen von einem goldenen Licht erhellt und vertrieb ihn. Seitdem breitete sich, der Sage nach, diese „Schutzvorrichtung“ in ganz China aus.  

 

Die „Vier“ und der „Tod“

Generell gilt die Farbe Rot in der chinesischen Kultur als die Farbe des Glücks. Kunstvolle Verzierungen auf den Kuverts werden dabei häufig in Gelb oder Gold gehalten. Der geschenkte Geldbetrag wird häufig nach der chinesischen Numerologie ausgewählt – eine Wissenschaft für sich – um glückbringende Zahlen zu erreichen. Oftmals werden gerade Beträge ungeraden vorgezogen und die Nummer Vier wird besonders vermieden: in der chinesischen Sprache ähnelt die Aussprache des Wortes „Vier“ jener des Wortes für „Tod“. Im Reich der Mitte ein absolutes No-Go.

Geldkuvert wird mittlerweile vielseitig eingesetzt

Gegenwärtig werden rote Umschläge in der Regel und von älteren Personen an junge Personen und Kinder sowie von verheirateten Paaren an alleinstehende Personen unabhängig von ihrem Alter ausgegeben (in China gilt man erst als erwachsen, wenn man verheiratet ist). In manchen Büros stellen Chefs den Mitarbeitern sogar rote Geschenkkuverts aus der eigenen Tasche zur Verfügung, um Glück und Reichtum für das kommende Jahr zu gewährleisten. Zeitgleich wird Hóngbāo auch oft bei Hochzeiten und Geburtstagen geschenkt. Gerade bei chinesischen Hochzeiten gehört der rote Briefumschlag mittlerweile fest zum traditionellen Brauchtum dazu. Der Bräutigam muss sich an der Haustür den Weg zu seiner zukünftigen Frau symbolisch erkämpfen beziehungsweise den Zugang „freikaufen“. Unter anderem erfolgt dies durch Präsente oder eben als Geldgeschenk in einem roten Kuvert.

WeChat - Mehr als ein Messenger-Dienst

Das digitale Hóngbāo ist nur ein weiteres Beispiel für die rasante Umstellung Chinas auf digitale Technologien und den Faible der Bevölkerung für Online-Zahlungsmethoden. Vor allem die beliebte App „WeChat“ bietet eine Fülle von zusätzlichen Diensten. Die Popularität der App ist am ehesten mit der im Westen beliebten WhatsApp zu vergleichen.

Mit WeChat können Benutzer nicht nur Nachrichten senden, Anrufe tätigen und per Videotelefonie kommunizieren, sondern auch Daten online hochladen, auf einer Instagram-ähnlichen Social-Media-Plattform ihre „Moments“ posten und eine WeChat-Brieftasche verwalten. Mit WeChats Brieftasche können Benutzer gebührenfrei Geld überweisen, Waren und Dienstleistungen überall per WeChat-QR-Code bezahlen und sogar Flüge, Züge und Kinokarten buchen.

Die allgegenwärtige Präsenz von WeChat- und Alibaba-QR-Codes in Geschäften auf dem chinesischen Festland macht einen großen Teil der wachsenden bargeldlosen Gesellschaft Chinas aus und verblüfft ausländische Beobachter mit der weitverbreiteten Durchdringung des Alltags. Auch cargo-partner ist bereits seit November 2018 auf WeChat vertreten und positioniert sich wie zahlreiche andere Dienstleister in Chinas gigantischem Online-Universum.