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Wie die Padma-Brücke Bangladesch voranbringen soll

Eine Brücke lässt 30 Millionen Menschen zusammenrücken

Ein Megaprojekt in Bangladesch soll das Transportwesen im südasiatischen Land komplett verändern. Eine Autobahnbrücke mit einer Gleisverbindung „eine Etage tiefer“ wird den Fluss Padma überqueren und soll dabei nicht nur den Verkehr erleichtern, sondern auch die Wirtschaft des Landes ankurbeln. Die größte Herausforderung dabei: die immense Breite des Flusses am Endlauf des Ganges. Kein Wunder, dass die Padma-Brücke mit 6,15 Kilometern Länge die längste Brücke in Südasien sein wird. Wir werfen einen Blick auf die besonderen Umstände bei dem imposanten Bauprojekt, welches demnächst fertiggestellt werden soll.

Die Landschaft von Bangladesch, dem östlichen Nachbar Indiens, ist generell durch weite Ebenen geprägt, welche von unzähligen Flüssen durchzogen werden. Die beiden Ströme Padma, eine Fortsetzung des indischen Ganges, und der größere, von Norden kommende Brahmaputra teilen das Land in drei Bereiche. Als Padma gilt heute vor allem der Abschnitt, der im Zentrum des Landes mit dem Zusammenfluss des Ganges und des Brahmaputra beginnt und im Süden an der Mündung in den Golf von Bengalen endet.
In seinem unteren Abschnitt bildet der Padma ein fast geradliniges Flussbett von 3 bis 8 Kilometern Breite, dessen flache Bereiche oft mit laufend mäandernden Sandbänken durchsetzt sind, deren Stromrinnen aufgrund der Fließgeschwindigkeit aber auch über 30 Meter Tiefe erreichen können.

Wenn Flüsse trennen statt zu verbinden

Wirtschaftlich am weitesten entwickelt sind die Bevölkerungszentren um die beiden größten Städte Dhaka in der Landesmitte und Chittagong im Südosten, während andere Regionen zum Teil deutlich schlechter dastehen. Die wirtschaftliche Entwicklung ist oftmals auch dadurch behindert, dass es nur wenige Brückenverbindungen zwischen den Landesteilen gibt. So gab es über den Padma bislang nur zwei Brücken, die ganz im Westen des Landes liegen. Zum einen die während der britischen Kolonialzeit Anfang des 20. Jahrhunderts erbaute Hardinge-Eisenbahnbrücke. Unweit davon entstand im Jahr 2004 parallel dazu die Lalon-Shah-Straßenbrücke. Weiter flussabwärts gab es bisher keine Brücke. Vielerorts galten unzuverlässige Fährverbindungen mit Schiffen in „abenteuerlichem“ Zustand als einzige Möglichkeit zur Überquerung der breiten Flussarme. Mit den technisch teilweise unzulänglichen Fähren kam es in der Vergangenheit oft zu Unglücken. Dennoch wurde bis dato der Großteil des Güter- und Personentransports zwischen der Hauptstadtregion Dhaka und dem Südwesten des Landes über Fähren abgewickelt.
Übrigens: Die ungenügende Straßen- und Eisenbahninfrastruktur und die fehlenden Brücken sind auch der Grund dafür, dass es in Bangladesch – einem flächenmäßig verhältnismäßig kleinen Land – ungewöhnlich viele Regionalflughäfen gibt.

Großes Potential trotz hoher Kosten

Das offiziell benannte „Padma Multipurpose Bridge Project (PMBP)“ soll nach seiner Fertigstellung laut einer Studie das Leben von fast 30 Millionen Menschen im Südwesten des Landes verändern. Durch neue Transportverbindungen auf der Straße bzw. Schiene wird es die neue, südlich von Dhaka erbaute Brücke ermöglichen, Güter aus den Häfen von Chittagong im Südosten sowie Mongla im Südwesten zu einem günstigeren Preis zu transportieren. Die Entfernung von der Hauptstadt Dhaka zu fast allen wichtigen Zielen im südwestlichen Landesteil wird um 100 Kilometer oder mehr reduziert, während die Fahrtzeit um 3 Stunden pro Fahrt verkürzt wird. Viele Produzenten und Dienstleister werden durch die neue Querung weitere Absatzmärkte vorfinden. Doch damit es zu solchen positiven Nebeneffekten kommt, musste zuvor ein langer Weg gegangen werden.

Die Brücke wird positive Auswirkungen haben

Technisches Meisterwerk in fordernder Umgebung

Seit längerem gab es Überlegungen zum Bau einer Brücke im Unterlauf der Padma. Rasch war klar, dass es sich um das bis dato größte Infrastrukturprojekt in der Geschichte des Landes handeln würde. In der Vergangenheit schien ein solches Projekt angesichts der großen Dimensionen des mehrere Kilometer breiten Flusses, der obendrauf sein Flussbett in der Vergangenheit mehrfach änderte, nicht realisierbar. Tatsächlich unterliegt das Flussdelta einem konstanten Wandel – Sandbänke, Strömungsverhältnisse, Ufererosion und Seitenarme können sich alle paar Jahre verändern bzw. verlagern.
Gewissermaßen ermutigt durch den Erfolg anderer großer Brückenprojekte (Bangabandhu-Brücke 1998, Lalon-Shah-Brücke 2004) an schmäleren Stellen weiter flussaufwärts, gab es ab dem Jahr 2000 mehrere Machbarkeitsstudien für den Bau. Die ersten Entwürfe sahen Fahrbahnträger aus Betonelementen und eine Schrägseilbrücke mit einer Spannweite von maximal 180 Metern vor. Diese Planung wurde letztlich aufgrund gestiegener Verkehrsprognosen umgeändert. Man entschied sich für eine Stahlfachwerkbrücke, die ein Unterdeck mit einspuriger Eisenbahnlinie und ein Oberdeck mit vierspuriger Straße haben sollte.

42 mächtige Betonpfeiler, 4 Fahrspuren und ein „Dreischienengleis“

Ende 2015 erfolgte dann der offizielle Startschuss zum Brückenbau. Bereits zuvor war an den Zufahrten gebaut worden: An beiden Enden der Brücke befinden sich 720 m bis 875 m lange Straßenauffahrten. Die Eisenbahnrampen sind 2,36 km bzw. 2,96 km lang und führen zur Brücke, die aus insgesamt 41 Stahlfachwerkträgern besteht. Die Spannweite der einzelnen Elemente beträgt 150 m und jedes von ihnen wiegt 3.376 Tonnen. Diese Stahlfachwerkträger wurden von Spezialschiffen auf 42 imposanten Betonpfeilern platziert. Die Betonpfeiler wiederum ruhen auf insgesamt 262 Stahlpfählen, die einen Durchmesser von etwa drei Metern aufweisen, betongefüllt sind und tief in den Untergrund unterhalb des Flussbetts getrieben wurden.

Die Eisenbahnstrecke ist eingleisig als Dreischienengleis ausgelegt, sodass sie von den in Bangladesch genutzten Breitspur- und Meterspur-Zügen [URL zur Schienenbreiten-Artikel] befahren werden kann. Die Durchfahrtshöhe unter der Brücke beträgt 18,3 m – somit wird der bisherige Schiffsverkehr nicht unterbrochen. Doch auch bezüglich der Kosten kann das Infrastrukturprojekt mit Superlativen aufwarten. Mehrfach wurde die Kostenprognose nach oben revidiert, sodass die Brücke mit Ausgaben von 3,962 Milliarden Dollar die anfangs projektierten Baukosten um das Vierfache überstieg. Dem steht ein geschätzter wirtschaftlicher Nutzen von etwa 5,942 Milliarden US-Dollar gegenüber. Eben jenen Schätzungen zufolge könnte die fertige Brücke das Wirtschaftswachstum Bangladeschs jährlich um etwa 1 % erhöhen.

Fertigstellung oder Inbetriebnahme?

Am 10. Dezember 2020 wurde der 41. und letzte Fachwerkträger auf zwei Betonpfeilern aufgesetzt und feierlich eingefügt. Dennoch wurde im Mai 2021 das offizielle und „endgültige“ Ende des Brückenprojekts erneut um ein Jahr auf Juni 2023 verschoben. Als Begründung wurde die COVID-19-Pandemie genannt, die zu Verzögerungen geführt habe. Allerdings versicherten die Verantwortlichen, dass die Brücke bereits im Juni 2022 zumindest für den Straßenverkehr geöffnet werden soll. Einige Zeit danach soll auch die Eröffnung der Eisenbahnlinie erfolgen. Vorläufig mangelt es noch am Anschluss ans bestehende Gleisnetz. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Brücke schlussendlich in der Wirtschaftsleistung und dem Transportwesen des bitterarmen Landes niederschlagen wird. Wir hoffen auf jeden Fall auf viele positive Effekte – einen bleibenden Eindruck hat dieses spannende Megaprojekt ohnedies schon hinterlassen.