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Der Barcode ist aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken

Barcodes: Diese Balken haben es in sich

Jeder kennt sie und jeder profitiert von ihnen. Die Rede ist von Barcodes, einer Anordnung verschiedener Striche und Balken auf Verpackungen. Ihr Einfluss auf unseren Alltag ist nicht mehr wegzudenken. Wussten Sie eigentlich, welches Produkt als allererstes über einen Barcode-Scanner gezogen wurde und dass die „Striche“ anfangs kreisrund waren? Erfahren Sie mehr über Entwicklung und Anwendung von Barcodes und was „tödliche Laser“ damit zu tun haben.

Von Morsezeichen und Radiowellen

So selbstverständlich man ihn heute auf Verpackungen und Produkten findet, so anekdotenhaft liest sich die Erfindung des Barcodes. Letztendlich begann der Siegeszug der schwarz-weißen Balken jedoch lange bevor die ersten Konservendosen und Nudelpackungen mit ihm versehen wurden. Amerikanische Supermarkt-Manager hatten zugegebenermaßen immer schon Sinn für Effizienz. 1948 wendet sich einer von ihnen – frustriert von dem Umstand, dass Geschäfte vorübergehend geschlossen werden müssen, um Inventur durchzuführen, und Kunden ungeduldig an Kassen warten, bis eifrige Verkäuferinnen Preise per Hand zusammenrechnen – an den Dekan des renommierten Drexel Institute of Technology in Philadelphia, um ihn um Hilfe zu bitten. Seine Anliegen: man möge doch eine Technologie erfinden, um Kunden schneller bedienen und den Umsatz seines Geschäftes entsprechend erhöhen zu können.

Spuren im Sand

Mehr oder weniger zufällig landet die Aufgabe bei den beiden Doktoranten Bernard „Bob“ Silver und Joe Woodland. Nachdem sie ältere Lösungsansätze wie das Prinzip der Lochkarten aus dem Jahr 1938 verworfen hatten, fand sich Woodland in Gedanken versunken am Strand von Miami Beach. Während er über visuelle Darstellungen der Punkt- und Strich-Symbolik von Morsezeichen und deren mögliche Anwendung nachdenkt, zeichnet er Striche in den Sand und hinterlässt zuerst lineare und schließlich kreisförmige Spuren. Die erste konkrete Idee für den Barcode hatte das Licht der Welt erblickt.

Nur ein Jahr später reichten Silver und Woodland ihr Patent sowohl für die lineare als auch für die kreisförmige „Bull's Eye“-Variante des Barcodes ein, das nach langem Kampf 1952 auch endlich anerkannt wurde. Allerdings standen jetzt erst die noch größeren Aufgaben an: Wie nämlich sollten die Codes fehlerfrei gedruckt und produziert und letztendlich von Maschinen gelesen werden?

Missing Link gesucht

Der erste Scanner, den Silver und Woodland selbst erfanden, war aufgrund der Größe seines Rechners und seiner Unhandlichkeit ein Reinfall. Außerdem schien es unmöglich, genügend Licht für den Lesevorgang zu erzeugen. Ihr schwarz-weißer Code war schlicht seiner Zeit voraus – und so verkauften die beiden ihr Patent 1962 an Philco, einen Pionier der Radio- und Fernsehherstellung. Dabei existierte die Lösung dieser Herausforderung längst am anderen Ende der USA: Eine andere bahnbrechende Erfindung lieferte schließlich die Lösung für das Scanner-Problem. In den Forschungslabors der Hughes Aircraft Company tüftelte ein talentierter Techniker namens Theodore Maiman an einem Gerät, welches hochkonzentrierte und extrem heiße Lichtstrahlen zu einem „Laser“ (Light Amplification by Stimulated Emission of Radiation) verdichtete. Dass seine Erfindung nicht zum militärischen Gebrauch vorgesehen war, hielt die sensationslüsterne Presse nicht davon ab, 1960 mit Schlagzeilen wie „L.A. Man Discovers Science Fiction Death Ray“ weltweit für Aufsehen zu sorgen. Bald darauf sollte Theodore Maimans Erfindung des ersten Lasers aber unvorhergesehen die Einzelhandelsindustrie revolutionieren.

Ein Laser bringt die Balken zum Sprechen

Von da an ging es bergauf. 1971 ersteht die Radio Corporation of America (RCA) das Barcode-Patent und startet einen achtzehnmonatigen Markttest in Zusammenarbeit mit einer Einzelhandelsfirma und Supermarktkette. Nach nur wenigen Monaten sind die Erfolge des runden „Bull's Eye“-Strichcodes unbestreitbar: die schnellere Abfertigung von Einkäufen an den Kassen sowie ein gezielteres und einfacheres Warenmanagement treiben die Verkaufszahlen drastisch in die Höhe. Trotz dieser ersten Erfolge muss die „Universalität“ des Barcodes – oder UPC (Universal Product Code), wie er bald genannt wurde – hart erkämpft werden. Ein Ad-Hoc-Komitee wird geformt, um die flächendeckende Verbreitung und Einführung eines einheitlichen Barcodes zu sichern. Trotz vielversprechender Ergebnisse sträuben sich viele Marken und Hersteller gegen die ihrer Meinung nach hässliche und aufdringliche, schwarz-weiße Markierung. Das Komitee lässt sich allerdings nicht beirren und ruft einen Wettbewerb aus, um die endgültige Form des Barcodes festzulegen.

Auch das in nachhaltiger Holzbauweise errichtete iLogistics Center in Fischamend zitiert mit seiner Fassade den Barcode. Die Holzbalken des preisgekrönten Lagergebäudes sind den Streifen und Strichen nachempfunden, welche in der Logistik nicht mehr wegzudenken sind.

 

IBM überrascht

Unter den sieben eingereichten Beiträgen befindet sich auch die RCA, welcher mit ihrer bereits erfolgreich getesteten „Bulls-Eye“-Variante der Sieg so gut wie sicher scheint. Doch ein in letzter Minute eingereichter Beitrag von IBM überzeugt schließlich das Komitee. Zufälligerweise beschäftigt IBM zu diesem Zeitpunkt niemand anderen als den Erfinder des ersten Strichcode-Patents, Joe Woodland. Allerdings ist es nicht Woodlands, sondern das Design eines Kollegen, George Laurer, das sich durchsetzt. Nicht zuletzt, weil es der geradlinige Barcode ermöglicht, kleiner gedruckt zu werden, ohne an Genauigkeit beim Druck und Scannen zu verlieren. Es sind also ganz pragmatische Gründe, die ausschlaggebend für den Sieg sind. Bereits kurze Zeit später werden die ersten automatisierten Kassenscanner in Supermärkten installiert und am 26. Juni 1974 wird mit dem Scannen einer Wrigley’s Juicy Fruit Kaugummipackung in einem Supermarkt in Ohio moderne Geschichte geschrieben.

Schwarz-weiß gestreift

Kunden standen den schwarz-weißen Linien zunächst skeptisch gegenüber und Verschwörungstheoretiker hatten ein neues Ziel gefunden. Dennoch breitete sich in den 1980er Jahren die Verwendung von Barcodes und Scannern in Supermärkten in ganz Nordamerika aus. Die einfache, kostengünstigere und effizientere Kontrolle von Inventaren sowie die erstmalig fundierte Einsicht in Konsumentenverhalten ermöglichte es Unternehmen, eine präzedenzlose Menge und Diversität an Produkten anzubieten, zu managen und zu koordinieren. Dies führt in nur wenigen Jahren zum Ende der Ära kleiner, familiengeführter Geschäfte und zum Aufstieg internationaler Marktriesen von Walmart bis Amazon.

Ikone der Globalisierung

Schon bald will die gesamte Welt einen Teil des Barcode-Erfolgs-Kuchens. Vor allem in Zusammenhang mit der Erfindung des Internets und der Ausdehnung des scheinbar grenzenlosen Onlinehandels brillieren die schwarz-weißen Balken. 1988 wird ein neuer Standard unter dem Namen International oder European Article Number (EAN) festgelegt, da aufgrund der stetig wachsenden Einbindung von globalen Märkten, Produkten und Produzenten das Datenpotenzial des einfachen, linearen Codes bald ausgeschöpft war. Mittlerweile macht man sich bereits Gedanken über Nachfolgekonzepte, so eindeutig war der Siegeszug dieser sogenannten „optoelektronisch lesbaren Universalschrift“.

Immenser Einfluss auf Transport und Logistik

Es verwundert nicht, dass der Barcode auch in der Welt von Transport und Logistik von elementarer Bedeutung ist. Dieser kleine Helfer ist wirklich überall, in allen Bereichen, im Einsatz und bewährt sich seit seinen Anfängen. Die Technik macht Waren, Pakete, Lagergüter, Einlagerungsdokumente, Boxen, Einzelteile usw. maschinenlesbar und zeichnet sich vor allem durch eine große Anwendungsvielfalt aus. Arbeitsvorgänge, die zuvor durch manuelles Protokollieren in endlos langen Listen oder die Eingabe von Nummern in klobigen Computern getätigt wurden, konnten mithilfe der „Striche“ erheblich rationalisiert werden.
Ein weiterer großer Vorteil: menschliche Fehler durch Vertippen oder Verschreiben können nahezu ausgeschlossen werden – in der Logistik ein nicht unerheblicher Faktor. In Warenlagern spielen Barcodes bei der Kommissionierung eine wichtige Rolle, wenn neben den Waren selbst auch die Auftragspapiere gescannt werden. Hier ist ein Code entweder aufgedruckt oder per Etikett aufgeklebt. Sie sehen, diese unscheinbaren Balken tragen viel Verantwortung und sind zeitgleich so simpel und unscheinbar.

Evolution des Strichcodes

Doch wie sieht die Zukunft des Strichcodes aus? Der notwendige nächste Entwicklungsschritt folgte bereits 1994 mit dem ersten Quick Response (QR) Code, der in Japan entwickelt wurde. Derzeit experimentieren Unternehmen wie „Digimarc“ mit für das menschliche Auge unsichtbaren digitalen Wasserzeichen oder „DWCodes“, welche dieselben Vorteile für Logistik und Handel bieten, ohne das Verpackungsdesign zu beeinträchtigen.

Geschätzte fünf Milliarden Barcodes werden heute täglich etwa im Personen- und Warenverkehr, im Finanz- und Gesundheitswesen gescannt. Bleibt abzuwarten, welche Funktionalitäten und Einsatzbereiche sich noch eröffnen. Die nächste Technologie steht jedenfalls schon bereit: mit auf Radiowellen basierenden Sender-Empfänger-Systemen zum automatischen und berührungslosen Identifizieren und Lokalisieren von Objekten und Lebewesen – zusammengefasst unter dem Kürzel RFID... Verschwörungstheorien inklusive.